piwik no script img

Zerren um ein letztes grünes Fleckchen

■ Bezirksamt Altona will inoffiziellen Namen Kemal-Altun-Platz beinah offiziell machen / Bürgerverein dagegen

beinah offiziell machen/Bürgerverein dagegen

Kaum sind die Punks vom Kemal-Altun-Platz vertrieben, da werden im Bezirksamt Pläne über eine schicke Begrünung geschmiedet, und schon entbrennt erneut ein öffentlicher Disput um die offizielle Namensgebung des Geländes.

Neu ist der Streit um den Platz nicht: Anfang der 80er Jahre stritt man zunächst um die Nutzung des Terrains. Urspünglich sollte auf dem Gelände der ehemaligen „Menck&Hambrock“-Fabrik eine gigantische Ladenpassage entstehen. Viele Ottenser schlossen sich in der „Menck & Hambrock-Ini“ zusammen, um das einzige freie Stückchen Wiese im Wohngebiet als Freizeitpark zu retten. Nachdem die Pläne einer „City-West“ auf dem Müll gelandet waren, entstanden auf der freien Fläche Grillplätze und ein paar Blockhütten.

Viele Ottenser nannten das Terrain an der Ottenser Hauptstraße inoffiziell Kemal-Altun-Platz. Kemal Altun war ein türkischer Regimekritiker in der Widerstandsorganisation „Dev-Sol“. Die türkische Militärregierung bezichtigte Altun 1982, an der Ermordung des rechtsradikalen Ministers Gün Sazak, einem Mitglied der MHP-Partei/Graue Wölfe, beteilgt gewesen zu sein, weil er den Attentätern in seinem Haus Unterschlupf gewährt haben soll. Kemal Altun floh nach Deutschland. Als das Berliner Kammergericht seinen Asylantrag ablehnte, sprang er während der Urteilsverkündung am 30. August 1983 aus dem fünften Stock des Gerichtsgebäudes in den Tod.

Die Bezirksversammlung Altona beschloß im April 1991 dem Gelände offiziell den Namen des Dev- Sol-Kämpfers zu geben. Bezirksamtschef Peter Strenge: „Der Name hat sich eingebürgert und gerade in der heutigen Zeit an Aktua-

1lität nichts verloren.“

Dagegen laufen aber die Ottenser Geschäftsleute Sturm. Ihnen war der Platz, auf dem bis vor kurzem Obdachlose campierten, schon immer ein Dorn im Auge. Sie wollen das Gelände lieber „Menck- Park“ oder „Harkensee-Park“ nennen. Bis 1865 stand auf diesem Terrain der Harkensee-Bauernhof. Im Zuge der Industrialisierung des

1dänischen Ottensen schliffen Menck&Hambrock die ländliche Idylle, rissen den Gutshof ab und bauten Fabrikhallen. Sie wurden Ende der Siebziger plattgewalzt.

Schützenhilfe haben sich die Kaufleute vom „Ottenser Bürgerverein“ beim türkischen Konsulat geholt, in dem auch der türkische Geheimdienst MIT residiert. Dem Bürgerverein gegenüber bezeich-

1nete das Konsulat Kemal Altun als gefährlichen „Terroristen“ und „Ministermörder“. Der Name Kemal-Altun-Platz sei ein Affront gegen das türkische Regime, mit „stärkster Befremdung und schärfster Ablehnung“ sei zu rechnen.

Im Bezirksamt sah man das gestern gelassen. Das bezirkliche Votum sei klar, das letzte Wort habe aber der Hamburger Senat. Bezirks-

1amts-Vizechef Klaus Leven: „Es ist alles in Fluß. Es kann aber auch sein, daß der Platz offiziell gar keinen Namen erhält.“ Die billigste Lösung: Damit würden die Beziehungen zum türkischen Regime nicht belastet, und in Hamburg weiß ohnehin jeder, daß der Kemal-Altun-Platz Kemal-Altun-Platz heißt.

Kai von Appen/Adil Gürbuz

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen