Sanssouci: Nachschlag
■ Der Maas-Verlag im Künstlerklub "Die Möwe"
In der „Möwe“, Künstlerklub im Schlagschatten des Reichstags, war die Schriftsteller-Crew um den Verleger Erich Maas zu Gast. An lederüberzogenen Holztischen in verspiegelter Unendlichkeit war selbst Harry Hass gezähmt, warf keine Chinaböller, sondern sang mit fester, sanfter Stimme aus seinem „Koko Metaller“ das böse kleine Lied um Andy Warhols Dogge. Einmal murmelte er was in seinen hohen Kragen. Es klang wie „Was für 'ne abgefuckte Show“; aber damit war wohl nur Kollege Viktor Pavlik gemeint, der dozierte gerade – „wie man so schön sagt“ – aus seinem Reisetagebuch.
Die große, junge Schar von Zuhörern, die drumherum an ihren Tischchen saß, die hingegen war vom dichterischen Hausherrn des Maas-Verlags, Peter Wawerzinek, schon vorzeitig erkannt. In seinem „Nix“-Roman begrantelt er sie mürrisch durch die Stimme seines „Vaters“: „Modelle. Hirngespinste. Eingeübte Posen. Preise. Reisen. Kritiken. Und die Weiber nur so umnieten. Den Machern in den Arsch kriechen. Sonnenbrille tragen.“
Von Dichtern also ist die Rede. Und von den abertausend Rimbaud-Gedichten in den Speichern der Berliner Hinterhäuser, die – seit drei Jahren – die klitzekleine Mehrchance haben, vom Publikum geziert zu werden. Dafür nämlich steht der Maas- Verlag. Gott Pathos hat bei ihm sein kurzbefristetes Asyl gefunden. Und viele unbekannte Dichter kennen seine Botschaft: Daß allein im Gestus die Muttersprache – die Von-Alters-her-gekommene – ihren (jungen) Herren findet: „Du bleibst ein kränkliches Wesen, wenn du mit der Sprache unter einer Decke steckst.“
Dichtung in postrevolutionären Zeiten ist das Programm: „Laßt uns nicht weiter für den Umsturz fit machen. Wir sind bereits fit. Und umgestürzt.“ Aufstand ohne Kommunion; Deklamationen der Heimkinder-Generation mit einer Wirkung, die sich den eignen Hals umdreht; die Aufhäufung des Abgegessenen wird ausgekotzt und – auf Mutterkosten – im Vortrag wirklich: „Daß mein Vater sie verlassen hatte, ließ ihn in meiner Achtung steigen.“
Was aber macht man damit an einem Ort wie der „Möwe“, die gutgemeint Relikt ist einer weggedroschnen Zeit? Der zur nichtigen Revolte nur müde nickt. Nun, nach drei Jahren Maas-Verlag sind drei Leute nebenbei auch zu Profis geworden: Peter Wawerzinek macht den Entertainer nicht nur raufboldig, sondern moderat, rapt positive thinking („Jajajajajapan. Nicht Neinpan! Jajajapan. Japan, jajajajajapan heißt auf polnisch und auf deutsch: Ja, der Mann!“), läßt sich von Harry Hass schief-aber-weiterlächelnd das umgedrehte Wort wegnehmen, weil das dazugehört, und zaubert mit Florian Günther einmal mehr ein junges Talent ans Lesepult: Der entwirft mit kargen Worten einen bittersüßen Woyzeck-Ton. Harry Hass, der Zweite längst im Bund, hat als Goethe-Stipendiat erstmals seit vielen Jahren materiell ein bißchen Luft. Das gibt dem Dichter unter den Maas-Schriftstellern den Atem für weiche, melodiöse Rocklyrik. Und der dritte, Erich Maas, stiller Verleger mit „ungefährer Erregung“, läßt sich vom Wawerzinek nicht ungern aus seiner grauen Zone locken und liest Klassik: „Matthias“ BAADER Holst.
Seit heute sind die drei vom Maas-Verlag auf Tournee in deutscher Provinz: „Wir danken Bonn schon jetzt, von dieser Stelle aus. Die geben 900 Mark für eine halbe Stunde, morgens um elf.“ Eine gute Fahrt und glückliche Heimkehr! Fritz von Klinggräff
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