: SPD-Kandidaten, verbraten
■ Journalisten sind als Politikberater bisweilen nicht ganz ohne Eigeninteressen
Einigermaßen turbulent war in der vergangenen Woche die Kandidatenfindung in der Bremer SPD für ihren neuen Vorsitzenden. Noch am Dienstag hatte Scherf erklärt, er stehe in ständigem Kontakt mit Wedemeier wegen der Frage der Kandidatur, die laufe auf Wedemeier zu. Was Scherf offenbar von Wedemeier nicht erfahren hatte: der hatte schlicht Schiß, auf der Delegiertenversammlung durchzufallen. Mittwoch abend erklärte Wedemeier vor Journalisten klipp und klar: Ich will nicht.
Und setzt seitdem auf einen anderen: den früher für Verkehrschaos zuständigen Bausenator Konrad Kunick, der ihn noch 1991 zum Rücktritt aufgefordert hatte. Angeblich haben sich die beiden versöhnt. Scherf glaubt das nicht: Wie kann einer eine solche Wunde wie den Rausschmiß aus dem Senat einfach wegstecken!
Bei Henning Scherf muß das trotz aller Rücksprachen mit Wedemeier anders gewesen sein. Keinmal hat abends das Telefon geklingelt, nichts von: “Henning, willst Du nicht...“ — der Kandidat mußte sich ganz allein mit der Frage herumquälen, ob er dem Wedemeier den Kunick ersparen soll. Beim Parteitag war dann eisiges Schweigen in den Delegiertenreihen, als Scherf redete — als einziger zum Thema Aufhebung der Unvereinbarkeit zwischen Partei- und Senatsämtern. Peinlich, peinlich.
Da ihm niemand geraten hatte, sich um den Posten zu bemühen, konnte ihn auch niemand beraten, als es darum ging: Wie wird man die angemeldete Kandidatur wieder los? Scherf stellte sich in Ermangelung anderer Berater in eine Journalistenrunde und machte sein Fragezeichengesicht. Ein stadtbekannter Kollege erbarmte sich und fragte, ob er denn nicht überlege, das mit dem Landesvorstand doch lieber sein zu lassen. Ja, hm, mal sehen, schon, murmelte Scherf. „Überlegen Sie's sich doch bitte bis Montag“, rief da ein anderer in die Runde. Hinterlistig, weil Bunten & Binnen erst dann wieder aktuell sendet. Na gut, sagte da der Senator. Quatsch, jetzt soll er's sagen, rief der Kollege W. vom Organ K., das auch sonntags herauskommt. Da könnte er's dann exklusiv und als erster melden. Das Eis brach: „W. hat recht, das wars!“ sagte der Senator und ging zum Mikrophon, um seine Kandidatur zurückzuziehen. Die Sonntagszeitung machte das Rennen.
Die Ortsvereine denken ganz anders. Kunick oder Pensky — „ist damit wirklich der erforderliche neue Ruck in der Partei gewährleistet?“ Warum muß der Kunick sich eine weitere Niederlage zumuten, wo er doch nur Bundestagsabgesordneter auf Koschnicks Stuhl werden will, fragt da Ihre Rosi Roland
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen