Lieber ein Telefon suchen als einen Feuerlöscher

Der Brandschutz in Altbauten ist insbesondere in Ostberlin wegen der schlechten Bausubstanz ein Problem/ Bei Bränden am Dach rennt die Feuerwehr den Flammen hinterher/ Westnormen von Ostbauten nicht erfüllbar  ■ Von Peter Thun

Berlin. Als vergangenen Samstag aus der Friedrichshainer Altbauwohnung von Olaf S. Qualm aus Tür- und Fensterritzen quoll, gab es für die anrückenden Polizeibeamten nur eins: mit aller Gewalt die Wohnungstür eintreten. Zum Glück hatte der alkoholisierte Olaf S. keine Feuer- und einbruchsichere Stahltür eingebaut. Sonst wäre der Mann im Schlaf am Qualm eines brennenden Schweineschnitzels erstickt, welches die Beamten schließlich aus der Küche evakuierten.

Während in diesem Fall eine hölzerne Wohnungstür das Leben rettete, sind brandfeste Stahltüren an anderen Stellen notwendig, um die Feuersbrunst einzudämmen; beispielsweise auf Dachböden und in Brandschutzwänden. Vorbeugender Brandschutz ist ein wichtiges Kritierium bei Neu- und Umbauten.

„Grundlage ist die Bauordnung und DIN 4102“, erklärt Hans-Christian Schmidt von der Feuerwehr. Schmidt ist stellvertretender Leiter der Abteilung „Vorbeugender Brand- und Umweltschutz“ im Bezirk Mitte, die für die ganze Hauptstadt zuständig ist. „80 Feuerwehrmänner und -frauen sind mit diesem Thema beschäftigt“, erzählt der Branddirektor.

„Wir arbeiten eng mit den Bauaufsichtsämtern und Architekten zusammen. Praktisch als Dreier- Team“, sagt der 56jährige Feuerwehrangehörige. „Meist sind wir auch als Gutachter für das jeweilige Bauaufsichtsamt tätig und müssen Stellungnahmen zu wichtigen Punkten abgeben.“

So schreiben die Feuerwehrleute zum Beispiel Expertisen zu Rauchabzügen, Fluchtwegen, Anzahl der Feuerlöscher oder Anfahrtswegen. Die bei AutofahrerInnen bestens bekannte Feuerwehrzufahrt zählt ebenfalls hierzu. So auch die Stellflächen für Löschfahrzeuge und Drehleitern nahe den Gebäuden, damit es beim „Anleitern“ keine Schwierigkeiten gibt.

Dabei müssen eine Menge Gesetze beachtet werden. Klaus Zeuner von der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen nennt vor allem den Paragraphen 15 der Bauordnung, wo Grundsätzliches geklärt ist.

„Im Paragraph 5 ist dann zum Beispiel das Anleitern“ beschrieben“, erzählt Zeuner, Leiter des Referats Generelle Angelegenheiten der Bau- und Wohnungsaufsicht. „Sonst steht überall etwas“, meint der Leitende Baudirektor. Für jeden Bautyp gebe es andere Vorschriften. Für Hochhäuser und Hotels gelten andere Gesetze als für Wohnhäuser und Kindertagesstätten; für Treppen andere als für Flure.

„In Hochhäusern müssen wir auf die Trockensteigleitungen achten“, beschreibt Zeuner die Aufgaben seiner Mitarbeiter, die hauptsächlich die rechtlichen Dinge für das Land Berlin bearbeiten. In Garagen ging es früher darum, darauf zu achten, daß ausreichend Feuerlöscher vorhanden sind.

Es sei inzwischen einfach sinnlos, die Feuerlöscher zu kontrollieren“, glaubt der 59jährige. Denn: „Wenn sie lang hängen, hängen sie drei Tage.“ Wichtiger sei es im Ernstfall, ein Telefon zu suchen statt eines Feuerlöschers, der geklaut ist, rät der Beamte.

Zwei Angestellte sind bei der Feuerwehr für jeden einzelnen Bezirk in Sachen Vorbeugender Brandschutz unterwegs, insgesamt also 46. Zusätzliche Arbeit vor Ort gescheiht im bezirklichen Bau- und Wohnungsaufsichtsamt. „Bei jeder neuen Baugenehmigung muß sich der Bearbeiter mit dem Brandschutz beschäftigen“, erklärt Arno Kempf, Chef des Bau- und Wohnungsaufsichtsamtes im Bezirk Mitte.

Eine spezielle Abteilung gebe es deshalb dafür nicht. „Zur Vorbereitung eines Baus setzen wir uns mit den Architekten und Planern zusammen und besprechen, was für Auflagen erfüllt werden müssen“, so Kempf. „Bei der Bauabnahme kontrollieren wir dann.“

„Wir treten nur auf den Plan, wenn eine Nutzungsänderung vorgenommen wird“, ergänzt er. Deshalb sei „Altbau kein Thema“. Es sei denn, ein Wohnhaus werde so umgebaut, daß es nicht mehr als solches genutzt werde. Das bestätigt auch Branddirektor Schmidt: „Die heutigen Vorschriften können nicht für die Altbauten rückwirkend angewendet werden.“ Kein Wunder also, daß die Feuerwehr im vergangenen Jahr 14.464mal ausrücken mußte – jedoch nicht nur für Dachstuhlbrände in Altbauten.

Die Dachstühle sind denn auch die größten Probleme für die Retter: „Oft rennen wir dem Feuer hinterher“, klagt Schmidt. „Paradebeispiel“ sei der Brand in einem Dachstuhl am Wilmersdorfer Rüdesheimer Platz gewesen.

Drei Referate beschäftigen sich bei der Feuerwehr mit dem Vorbeugenden Brandschutz. Referat A für allgemeine Bauten, Referat B für Gefahrengut wie Tanklager, Referat C für „Sonderbauten“ wie Warenhäuser, Theater oder Kindertagesstätten.

Normen nicht erfüllt

Amtsleiter Arno Kempf hat ein für den Bezirk Mitte – und damit für Ostdeutschland – spezielles Problem. „Die Kindertagesstätten wurden nach DDR-Recht gebaut“, so der 56jährige. Jetzt müsse er sich nach der westdeutschen Industrie-Norm (DIN) richten, früher galten die Technischen Normen, Gütervorschriften und Lieferbedingungen (TGL) der DDR. Heute DIN 4102 – früher TGL 10685. „Wir können die jetzigen Vorschriften nicht ganz hundertprozentig erfüllen“, meint Kempf. Das läge vor allem an den unterschiedlichen Baustoffen, die in beiden deutschen Staaten vorgeschrieben waren.

Ein Markt für Unternehmen also, die Brand- und Sicherheitstechnik vertreiben. „Brandschutzkissen sind der besondere Renner“, weiß Uwe Redmann von der Tempelhofer Firma Minimax, ein Tochterunternehmen der Preussag AG.

„Diese Kissen werden besonders bei Kabelschächten verwendet, beispielsweise in Telefonvermittelungsschächten. Wenn es brennt, quellen sie auf und schließen die Schächte“, erläutert Redmann.

Die Liste ist lang an feuerfesten und -hemmenden Baustoffen: Von der „Feuerbeständigen Dehnfugenverfüllung“ über „Abschottungen für brennbare Rohre“ bis hin zur Brandtrennwand und Sprinkleranlage ist alles zu haben. Ein Blick ins Branchentelefonbuch beim Stichwort „Feuer“ hilft Interessierten auch weiter. Aber nicht bei „Feuerwerk“ nachlesen!