Mac Menschenrecht

■ Alles über die Vernetzung von Computern und Buschtrommel

Angelegenheiten der Basis waren zunächst per definitionem lokale Angelegenheiten. Inzwischen hat das Instrumentarium der neuen Technik den Basisbewegungen und Organisationen Möglichkeiten zur Vernetzung mit der Basis von nebenan, mit der Nachbarstadt, dem Nachbarland und der ganzen Welt in die Hand gegeben. Und es hat den Organisationen an der unmittelbaren Basis Vernetzungsmöglichkeiten auch mit NGOs (non-governmental-organizations = Nicht-Regierungs-Organisationen), der nächsten politischen Ebene also, gegeben, wodurch zunehmend lautstarke Lobbys geschaffen werden können, die ihre Ziele mittels der Kommunikation über Telex und Telefax, Telefon und Computer forcieren.

Ein Verein für Progressive Kommunikation

Im Laufe der letzten zehn Jahre haben besonders Computer eine wachsende Rolle bei der Herstellung internationaler Netzwerke für Menschenrechtsarbeit gespielt. Denn Computer sind nicht nur per se effektive Werkzeuge, sondern können auch die Effizienz traditioneller Kommunikationsmittel wie Telefon und Briefpost verstärken. Und sie können auch den Graben überbrücken helfen zwischen Menschenrechtsgruppen in der entwickelten Welt, in der neueste Computer und Telekommunikation zur Standardausrüstung gehören und Gruppen, die in Ländern arbeiten, in denen solches Werkzeug undenkbar teuer, das Telefon hoffnungslos inadäquat und selbst regelmäßiger Postverkehr immer noch die Ausnahme ist. Denn ein Charakteristikum der neuen Technik ist auch, daß ihr Gebrauch durch einen Teil der Menschenrechtsgruppen nicht bedeutet, daß andere nicht auch mit traditionelleren Mitteln arbeiten können. Ein globales Netzwerk ist im Entstehen, in dem die, die nur Papier und Briefmarken haben, ausgezeichnet mit denen zusammenarbeiten können, die die Computer besitzen.

Bei der Computerisierung der internationalen Menschenrechtsorganisationen hat die „Association for Progressive Communications“ (APC), eine weltweite Organisation von Computer-Netzwerken, ansässig in San Francisco und Rio de Janeiro, eine wichtige Rolle gespielt.

Ihr Ziel ist die Bereitstellung erschwinglicher globaler Kommunikation für einzelne und Organisationen, die sich für Frieden, Umweltschutz und friedliche Konfliktlösung in den Regionen engagieren. APC versorgt über 11.000 Benutzer in 92 Ländern; seine Mitglieder reichen von GreenNet in London über GlasNet in Moskau und ComLink in Hamburg bis zu AlterNex in Rio und Pegasus Networks in New South Wales, Australien (siehe Kasten für einige Adressen).

Die totale Vernetzung

Die Benutzer der APC-Netzwerke können miteinander kommunizieren und Informationen durch elektronische Post und On-line-Konferenzen austauschen. Sie können innerhalb ihres Netzes – und anderer, kommerzieller und nichtkommerzieller Netze wie Internet, Unsenet und MCI Mail – Informationen schicken und empfangen und auch mit elektronischen Systemen wie Telex und Fax kommunizieren.

Die ständige Verbindung zwischen den vielen verschiedenen Netzen kommt vor allem den Mitgliedern zugute, die selbst keine so großartigen technischen Möglichkeiten haben. Eine nepalesische Menschenrechtsgruppe hat beispielsweise weder einen Computer, noch kann sie sich häufiges Faxen leisten. Aber ihre Berichte schickt sie per Post regelmäßig an das Institut für globale Kommunikation (IGC) in San Francisco, wo sie in das System eingespeist und so international abgerufen werden können. Zusätzlich überprüft ein Freiwilliger in San Francisco regelmäßig alles Material nach relevanten Informationen für die Nepaler und schickt ihnen per Post einen Ausdruck nach Nepal.

Wissenspool für alle

Gruppen, die mit anderen zwar per Computer verbunden sind, selbst jedoch weder genug Geräte noch die Kenntnisse haben, sich direkt in alle möglichen Netze einzuschalten, nehmen durch die Expertise der APC am Wissenspool aller teil. In einem Newsletter erklärte Mario Handler, ein Aktivist aus Venezuela, kürzlich, daß es für ihn billiger und schneller ist, ein Telex nach Kuba über die APC-Vernetzung zu schicken als über die direkte Telexleitung nach Kuba.

Auch die Versorgung mit entsprechendem Training – und mit Geräten – gehört inzwischen mit zur internationalen Menschenrechtsarbeit. Die in Oslo ansässige Organisation „Huridocs“ (Human Rights Information and Documentation Systems International) vermittelt und finanziert Computertraining für Menschenrechtsgruppen in Asien, im Nahen Osten, Afrika und Osteuropa, und die Unesco überläßt diesen Gruppen oft kostenlos das CD-ISIS-Database-Programm. In Boston sitzt die „East-West-Education Development Foundation“, die von Geschäftsleuten und Schulen in den USA ausrangierte Computer kostenlos abholt und nach Osteuropa und in die Länder der ehemaligen Sowjetunion schickt. Der Gründer der Ost-West-Stiftung, Alex Randall, ist der Ansicht, daß die Arbeit mit Computern den Studenten, Journalisten und Reformern im Osten eine konkrete Ahnung davon vermitteln kann, was mit dem freien Austausch von Informationen und freier Meinungsäußerung gemeint ist.

Brücke zwischen Techno-Haves und -Have-nots

Relativ kleine Organisationen in armen Ländern, die sich computerisieren konnten, vermitteln Expertise und Training weit über ihren eigenen Kreis hinaus; „Mujer a Mujer“ aus Mexiko und das Afrikanische Zentrum für Demokratie und Menschenrechtsforschung in Gambia sind zu Schulen für andere Organisationen in ihren Ländern geworden. Auch GlasMail nimmt vor allem eine Brückenfunktion zwischen den Techno-Haves und -Have-nots ein. Diese Organisation nimmt elektronische Post von Gruppen und Einzelpersonen aus den USA an, schickt das Material gebündelt als elektronische Post nach Moskau und verteilt sie dann, je nach technischer Notwendigkeit, an Empfänger in der ehemaligen Sowjetunion per Telefon, Telegramm, Fax oder Brief. Der ganze Vorgang dauert in der Regel nicht mehr als drei Tage.

Menschenrechte per Computer

Da mehr als 90 Prozent aller Computer in den Ländern der industrialisierten Welt stehen, können sie am effektivsten zum Druck auf die Regierungen der industrialisierten Welt genutzt werden. Am 28. Februar 1992 erfuhr die Organisation „Fortflac“ (Fellowship of Reconciliation Task Force on Latin America and the Caribbean), daß die US-Botschaft in Quito, Ecuador, dem Indio-Politiker Manuel Saca zur Einreise im Rahmen eines Austauschprogramms in die USA am 7. März kein Visum erteilen wollte. Fortflac initiierte sofort eine Kampagne und informierte als erstes den Kongreß über diesen Skandal; am 2. März schickten einige Kongreßabgeordnete durch das Institut IGC in San Francisco einen Appell an alle Benutzer, ihrerseits Proteste ins State Department und an die Botschaft in Ecuador zu schicken. Am 4. März wurde ein US-Beamter mit der Überprüfung des Falles beauftragt, und Manuel Saca erhielt sein Visum.

Die große Zahl von Computerbenutzern unter den Menschenrechtsaktivisten der industrialisierten Länder bedeutet auch, daß Informationen über Menschenrechtsverletzungen, die nicht von der Presse des Westens aufgenommen werden, wenigstens innerhalb der Menschenrechtsbewegung ausgetauscht werden können. Dem Massaker in Ost-Timor im November 1991 und den darauffolgenden Vertuschungsmanövern und Repressionen wurde zum Beispiel international nur wenig Beachtung geschenkt. In den USA jedoch hatte man per APC-Netz eine alternative Informationsquelle. Dort wurden Hintergrundinformationen gesammelt und internationale Agenturmeldungen verfügbar gemacht, Analysen von Menschenrechtsgruppen und Augenzeugenberichte von Betroffenen gespeichert. Das Gute dabei ist, daß solche Informationen nicht irgendwann wieder verschwinden, sondern im System bleiben und regelmäßig auf den neuesten Stand gebracht werden. Auf diese Weise werden wichtige Daten unabhängig vom Interesse der Medien oder einer aktuellen Krise in der Region permanent zugänglich.

Gezielte Informationsverbreitung

Die Computer befreien Menschenrechtsgruppen auch vom Druck, die großen Zeitungen und Sender immer so schnell wie möglich zur Aufnahme einer Story bewegen zu müssen. Als der haitianische Aktivist Richardson Joseph ermordet wurde, war die Nachricht über APC und andere internationale Computernetze bereits heraus, bevor die US-Presse sie druckte. Das war möglich, weil mindestens eine haitianische Menschenrechtsgruppe per Fax in regelmäßigem Kontakt mit einer Menschenrechtsgruppe in Nordamerika ist, die dann sofort die Berichte ins Englische übersetzt und sie innerhalb von 24 Stunden on- line schickt.

Die Beispiele aus Ost-Timor und Haiti zeigen auch eine andere wichtige Veränderung, die der Gebrauch von Computern ausgelöst hat. Die Benutzer von APC sind zwar Mitglieder von ein oder zwei Menschenrechtsorganisationen, aber sie sind keine politisch so weit gestreute Gruppe wie beispielsweise alle LeserInnen der New York Times. Aktivisten haben also durch Computer die Möglichkeit, ihre Informationen und Berichte gezielter zu verbreiten als je zuvor. Von Gwendolyn Whittaker

Gwendolyn Whittaker ist Menschenrechtsaktivistin in Cambridge, Masachussetts (USA).