EG setzt Mindestpreise für Importfisch fest

■ Französische Fischer toben Billigimporte aus Polen und Rußland

Berlin (taz) – Céder serait crever – Aufgeben bedeutet krepieren – sagen die Fischer in der Bretagne. Tonnenweise schmissen sie in den letzten Tagen fauligen Fisch auf Straßenkreuzungen und verwandelten Vorplätze öffentlicher Gebäude in stinkende Rutschbahnen. Den Fischmarkt der französischen Hauptstadt schlugen sie kurz und klein. Und die ohnehin nicht leichten Beziehungen über den Kanal hinweg verkomplizierten sie mit einer Blockade britischer Schiffe. Paris reagierte prompt und verständnisvoll: Eine Soforthilfe von 272 Millionen Francs (rund 90 Millionen DM) – bewilligt am zweiten Tag der Revolte – sollte die Fischer besänftigen. Jetzt hat sich auch Brüssel in das Krisenmanagement eingeschaltet. Am Donnerstag abend legten die Fachbeamten der Europäischen Gemeinschaft Mindestpreise für den Import von fünf Fischsorten fest. Zunächst bis Juni müssen die Preise für Kabeljau, Hecht, Schellfisch, Seeteufel und vergleichbaren Weißfisch, der von außerhalb in die EG geliefert wird, drastisch erhöht werden. Weitere Schritte werden noch beraten.

Seit Monaten befindet sich das Einkommen der französischen Fischer im freien Fall. Manch einer verdient heute nur noch ein Drittel des Wertes von 1990 – und das mitten in der Hochsaison, die für Nordseefischer in die ersten drei Monate des Jahres fällt. Die Unbill kommt von allen Seiten: Die durch moderne Fangmethoden ausgelöste Überfischung des Atlantiks hat die Ausbeute verkleinert. Die Abwertungen in Großbritannien, Irland, Spanien und Italien haben den Fisch der Konkurrenten entschieden billiger gemacht. Und die Fische aus Nicht-EG-Ländern, vor allem aus Polen und Rußland, aber auch aus Island und Norwegen, drücken zusätzlich auf die Preise. Auf traditionellen französischen Märkten wie Spanien machen plötzlich die Schotten und Iren die Geschäfte. Selbst die französischen Supermärkte kaufen jetzt eher – und entschieden billiger – im Ausland.

Mit der Brüsseler Entscheidung haben die französischen Fischer einen Etappensieg errungen – mehr nicht. Zufrieden wollen sie sich damit nicht geben. Gestern erklärte einer ihrer Sprecher, der Bürgermeister von Arcachon Pierre Dufailly, die Maßnahme bereits für „unzureichend“. Die bretonischen Fischer, die am Donnerstag vor dem Sitz der EG-Kommission demonstrierten, waren deutlicher. Eine „merde“ sei das, sagte einer. Knapp vier Wochen vor den französischen Parlamentswahlen muß sich die Regierung in Paris wohl auf weitere Lieferungen stinkenden Protestfisches einstellen. Dorothea Hahn