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Ungewöhnlicher Treck aus traurigem Anlaß

■ Polizei vertrieb Bauwagenbewohner aus Altenwerder / Der Platz in der Gaußstraße ist überfüllt, Alternativen dringend gesucht

aus Altenwerder/Der Platz in der Gaußstraße ist überfüllt, Alternativen dringend gesucht

Was den Hafenerweiterungsgegnern nicht gelang, bewirkten zehn Punks mit ihren Bauwagen — heftigen Aufruhr in der Wirtschaftsbehörde nämlich. Die Befürchtung dort: Das Planfeststellungsverfahren zur Vernichtung Altenwerders könnte durch die rollenden Unterkünfte zunichte gemacht werden.

Die Punks waren vorige Woche vom überfüllten Bauwagenplatz Gaußstraße in das idyllische Fischerdorf gezogen. Freitag wurden sie von ihrer Wiese geräumt, mußten auf einem Parkplatz am Fähranleger ihr Notquartier aufschlagen. Allein aufgrund der Tatsache, daß die Punks noch in Altenwerder weilten, herrschte in der Wirtschaftsbehörde weiter Panik.

Mehrfach versuchte Wirtschaftssenator Hans-Jürgen Krupp seine Kontakte in die Alternativ-Szene spielen zu lassen, um darauf einzuwirken, daß dieser „Unsinn“ aufhört und der Hafen-Ausbau nicht gefährdet wird. Als sich am Montag nun die Medien auf die Bauwagenleute stürzten, schaltete die Stadt den Schnellgang ein: 18 Uhr Abrücken aus dem Bezirk Harburg, sonst Beschlagnahme der Unterkünfte!

Zum genannten Zeitunkt rückt tatächlich ein Großaufgebot an. Vorneweg Herren in grauen Anzügen — vom Ortsamtsleiter bis zu Wirtschaftsbehörden-Vertretern, dahinter alle Sternchenträger, die die Polizei in Hamburgs Süden aufzubieten hat, zum Schluß ein LKW- Konvoi der Polizei.

Die Punks erklären sich notgedrungen zum Abrücken bereit. Polizeiliche Neugier: „Wo wollt ihr hin?“ „Nach Finkenwerder — is' Bezirk-Mitte.“ Antwort: „Kommt nicht in Frage, dann seid ihr morgen wieder hier.“ Polizeiliches Hauptanliegen: Nur weg hier! Der Vorschlag: „Was ist mit dem Kemal-Altun-Platz?“ Die Punks grinsen. „Is' okay!“ Von diesem Platz waren sie im Herbst vom Bezirksamt Altona vertrieben worden. Warum nicht in Polizeigeleit zurückkehren?

Dann technische Probleme: „Wir haben kein Diesel mehr. Habt ihr Ersatzkanister?“ die Frage an die Beamten. „Nee!“ Angebot: „Wenn ihr einen Schlauch habt, dann könnt ihr Diesel aus dem LKW-Tank absaugen.“ Der Trecker spingt nicht an. Ein Punk fordert: „anschieben“. Beim fünften Versuch knattert der Motor des Oldtimers, freudig rast der Fahrer mit dem Ungetüm kreuz und quer durch die Einsatzwagen. Polizeipressesprecher Hans-Jürgen Petersen steht kurz vorm Nervenzusammenbruch: „Der fährt doch schneller als sechs km/h! Also wenn“, er schnappt nach Luft, „also wenn ich hier das Sagen hätte, ich würde alles aus dem Verkehr ziehen.“ Im

1Gegenteil: nichts stillegen, nur weg hier! So die Polizeidevise.

Ein Linienbus ohne Bremsen wird an die Stange genommen, und der ungewöhnliche Treck aus Streifenwagen, schweren Polizei-LKWs, Bus, Trecker und Bauwagen schleicht im Blauchlichtgeflimmer

1von Altenwerder über Freihafen und Reeperbahn zum Kemal-Altun Platz. Jetzt erkennt die Polizei ihren Fehler — also nun zur Gaußstraße. Weil der Platz voll ist, werden die Gefährte auf ein Nachbargrundstück gestellt, dann ist die Polizei auf und davon. Die Bauwa-

1genleute sind deprimiert: Viele, die sich in der Ausbildung befinden, finden auf diesem überfüllten Platz keine Ruhe. GALier Peter Mecklenburg: „Wegen der Überfüllung herrschen unhaltbare Zustände. Es müssen dringend Alternativplätze gefunden werden.“ Kai von Appen

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