: "Schmutziger Krieg"
■ Kurdische Ölarbeitergewerkschafter von "Petrol Is" in Hamburg
von „Petrol Is“ in Hamburg
Bis zuletzt hatte die Deutsche Botschaft die Reise verhindern wollen, indem sie die Visa verweigerte. Erst auf Druck der Hamburger IG Medien gaben die deutschen Diplomaten in Istanbul nach: Seit Montag sind auf Einladung von sechs Hamburger Gewerkschaften der Vorsitzende der kurdischen Ölarbeitergewerkschaft „Petrol Is“ aus Batman, Ahmet Teymurtas, sein Kollege Mehmel Kilic und der Vorsitzende des Menschenrechtsvereins, Sedat Özevin, zu Besuch in Hamburg.
Es ist ein Gegenbesuch, nachdem Elb-Funktionäre im vorigen Jahr Batman besucht hatten. Batman liegt 80 Kilometer von der kurdischen Provinzhauptstadt Dybakir entfernt. Ahmet Teymurtas in kleinem Kreis: „Seit eurem Besuch hat sich Batman verändert. Batman ist zur Geisterstadt geworden.“ Die Bewohner hätten Angst vor der Konterguerilla: „Menschen haben Angst, auf die Straße zu gehen, sperren sich im Haus ein. Sie werden auf dem Weg zur Arbeit oder dem Heimweg auf offener Straße erschossen.“
Täter, die gefaßt worden sind, sieht man tags darauf erneut bewaffnet wieder auf der Straße, weil das türkische Regime sie freigelassen hat. „In Batman sind im vergangenen Jahr 190 Menschen getötet worden.“
„Der schmutzige Krieg“, so Teymurtas, richtet sich gegen die Zivilbevölkerung. Ganze Dörfer werden von den 600 türkischen Kommandos niedergemacht. „Ältere Menschen müssen sich teilweise auf dem Dorfplatz nackt ausziehen und werden dann an den Geschlechtsorganen mit Seilen gefoltert.“ Auch vor Anschlägen auf Gewerkschaftsfunktionäre und Journalisten schreckt das Regime nicht zurück. Mehmel Kilic: „Bei Verhandlungen sagen wir immer: ,Wir wollen nicht mehr Geld: Wir wollen Sicherheit für unser Leben.“
Die Delegation hofft bei den Hamburgern Unterstützung zu finden. „Was uns in unserm Land und als Arbeiterklasse passiert, wollen wir an die deutsche Arbeiterklasse weitergeben,“ so der „Petrol Is“- Boß. Er appelliert, daß sich die Gewerkschaften gegen deutsche Militärlieferungen stark machen.
Der Gewerkschafter macht keinen Hehl daraus, daß „Petrol Is“ mit der Kurdischen Arbeiterpartei PKK sympathisiert, die seit Jahren einen Guerillakrieg für die Unabhängigkeit führt. „Die PKK hat uns gelehrt, Selbstbewußtsein zu haben. Das kurdische Volk hat keine andere Möglichkeit, als den Kampf zu gewinnen. Aber nicht das türkische Volk, sondern das Regime ist der Gegner.“ Zum kurdischen Neujahrsfest (Newroz) wollen daher über 30 Gewerkschaften mit einem Streik gegen den „schmutzigen Krieg“ demonstrieren.
Hinter den Kulissen hatte es unter den Hamburger Gewerkschaften Streit um den Besuch gegeben. Während die IG Metall Pinneberg und die „Richter und Staatsanwälte für den Frieden in der ÖTV“ eigene Info-Veranstaltungen organisierten, lehnte die IG Chemie den Empfang der Delegation ihrer Brudergewerkschaft ab. Auch DGB-Chef Erhard Pumm ließ sich daraufhin nicht blicken. Kai von Appen
Info-Abend: Heute, 18.30 Uhr, Curio- Haus
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