: Essen aus dem Genlabor: Du darfst
■ Unilever und Holsten basteln an gentechnisch erzeugten Nahrung / "Produktdiskriminierung" durch Kennzeichnungspflicht
basteln an gentechnisch erzeugter Nahrung/»Produktdiskriminierung« durch Kennzeichnungspflicht?
Für viele Verbraucher ein Schrecken, für die Lebensmittelindustrie längst keine Zukunftsmusik mehr: Nahrung aus dem Genlabor. Zwar bietet offiziell noch kein in Hamburg ansässiger Lebensmittelproduzent gentechnisch manipulierte Speis und Trank an, aber gebastelt wird daran bereits in vielen Forschungsabteilungen. Und nur wenige Hamburger Lebensmittelfirmen sprechen sich grundsätzlich gegen gentechnische Verfahren der Lebensmittelherstellung und für eine Kennzeichnungspflicht des manipulierten Gaumengenusses aus.
Von 30 Firmen, die sich an einer bundesweiten Umfrage der Hamburger Verbraucherzentrale beteiligten, befürwortet nur jede fünfte uneingeschränkt die Schaffung eines Markenzeichens „gentechnikfrei“. Zwei Drittel der Unternehmen erklärten sich nicht bereit, die Forderung der Verbraucherzentrale nach einem Total-Verzicht gentechnologischer Verfahren in der Nahrungsmittelherstellung zu unterstützen.
Besonders offensiv für den Einzug der Gentechnologie in die Lebensmittelbranche spricht sich die in Hamburg ansässige deutsche Zentrale des weltgrößten Food- Konzerns Unilever aus. In der Stellungnahme des Unternehmens an die VerbraucherschützerInnen heißt es, man biete zwar „gegenwärtig keine gentechnisch hergestellten Lebensmittel an“, habe aber „eine positive Einstellung zu Biotechnologie“ und „gentechnischen Verfahren“.
Schon heute betreibt der Konzern, der etwa die Margarinen „Rama“ und „Du darfst“, Solo- Konfitüre, Unox-Suppen und Langnese-Eis herstellt, auf diesem Gebiet nach eigenen Angaben „Grundlagenforschung“. Das Ziel der Eingriffe in natürliche Baupläne sei es, „Haltbarkeit“ und „Qualität“ der Produkte zu verbessern. Eine Zwangskennzeichnung gentechnisch produzierter Waren lehnt Unilever strikt ab. Entsprechende Hinweise müßten „freiwillig“ sein und dürften das Produkt „nicht diskriminieren“.
Schon länger bekannt sind die gentechnischen Forschungen der Hamburger Holsten-Brauerei. Seit 1989 verfügen die Brauer von der Holstenstraße über das Patent an einer Hefemutante, mit der eine Gärung des Volksgetränks möglich ist, bei der kein Alkohol entsteht. Zwar soll daß Gentech-Bier noch nicht im Regal stehen, über ihre Zukunftsplanungen aber schweigen sich die Bierbrauer aus Angst vor Negativ-Schlagzeilen aus.
Doch nicht alle norddeutschen Firmen wollen auf den Gentech- Zug aufspringen. So schließen die Hamburger „Gut von Holstein GmbH“ und die in Hohenwestedt beheimatete „Nordmark-Meierei“ auch künftig Forschungen in diese Richtung kategorisch aus. Neben der Holstein GmbH setzen sich
1auch die Schenefelder Brotbäcker von „Harry“ für einen umfassenden Verzicht gentechnischer Methoden in der Nahrungsmittelproduktion ein. Zusammen mit der Hamburger Beteiligungs-Holding „VK Mühlen“, die den Verbraucherschützern wohl aufgrund ihres Namens nur irrtümlich in die Liste der zu befragenden Lebensmittelfirmen rutschte,
1spricht sich die „Harry“ auch für die Schaffung eines Markenzeichens „gentechnikfrei“ aus.
Obwohl keine der befragten Firmen nach eigenen Angaben bereits mit gentechnischer Hilfe hergestellte Lebensmittel auf den Markt bringt, kann der Verbraucher nicht sicher sein, ob er im Supermarkt nicht schon Gen-Food kauft. Nach
1europäischem Recht dürfen Produkte, die in einem der Mitgliedsländer zugelassen sind, auch in jedem anderen EG-Land in den Handel kommen. In Großbritannien ist genmanipulierte Hefe zum Brotbakken längst zugelassen, in Holland werden manipulierte Labfermente bei der Käsegerinnung eingesetzt. Marco Carini
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