Viel Wind im Windland Nummer eins

■ Windkraft in Schleswig-Holstein: Stolzer Minister, kritische Naturschützer und ein gut besuchter Kongreß

in Schleswig-Holstein: Stolzer Minister, kritische Naturschützer und ein gut besuchter Kongreß

Schleswig-Holstein macht viel Wind. Der Staatssekretär im Kieler Energieministerium, Claus Möller (SPD), pries das „Windland Nummer eins“ in Deutschland gestern vor mehr als 500 Teilnehmern der 5. Europäischen Windenergie-Konferenz am in Lübeck-Travemünde.

Die „Windernte 1992“ habe im nördlichsten Bundesland bei einer Stromproduktion von 180000 Megawattstunden gelegen, bis Ende 1992 seien 485 Windkraftanlagen in Betrieb gegangen. Damit sei der Windanteil an der Deckung des Strombedarfs auf 1,56 Prozent gestiegen. Mit der windigen Ernte würden der Atmosphäre 165000 Tonnen CO2 erspart, eine Entlastung, für die sonst nur 330000 Bäume schaffen.

Trotz dieser Bilanz sind die schleswig-holsteinischen Naturschützer nicht völlig begeistert vom Windmühlen-Boom im Lande. Vor allem um den geplanten Windpark auf der Nordseeinsel Pellworm gibt es heftigen Streit. Die Großmühlen sollen mitten im Nationalpark Wattenmeer errichtet werden, „am ökologisch sensibelsten Punkt“ der Insel, kritisiert Lothar Koch von der Schutzstation Wattenmeer. Durch Anlagen „höher als der Pellwormer Leuchtturm“ würden 30000 Vögel, die dort jeden Tag rasten, ein für alle Mal von ihren angestammten Plätzen vertrieben. Dabei sei die weitgehend unverbaute „Dornröscheninsel“ bei ihrer Energieversorgung durch Sonne und Wind jetzt schon autark. Der geplante Großwindpark diene nur dem „Stromexport zum Festland“ per Seekabel quer durch den Nationalpark und der Betreibergesellschaft, die Subventionen und Profite einstreiche.

Wattschützer Koch ist „nicht gegen Windkraft“, aber „man kann auch mit alternativer Energie durchaus Fehler machen“.

Die Umweltschützer fordern einen landesweiten Raumordnungsplan, der sicherstellt, daß schützenswerte Gebiete wie „Naturschönheiten und Kleinodien im Nationalpark“ von Rotoren in luftiger Höhe frei bleiben. Am 16. März wollen sie ihre Einwände gegen den Windpark Pellworm bei einer Anhörung im Umweltministerium vortragen. Die Vogelfreunde haben eine mächtige Lobby gegen sich und ihre gefiederten Schützlinge. „Die Landbesitzer profitieren von den Anlagen“, so Heiger Brandt vom BUND, denen sei Vogel- oder Landschaftsschutz ganz egal.

Die Windkraftnutzung entwickle sich in Schleswig-Holstein über die umweltschonende Energieerzeu-

1gung hinaus zu einem Wirtschaftsfaktor, erklärte gestern auch Staatssekretär Möller. Und die „Windmüller“ werden dabei kräftig subventioniert. Seit 1989 sind über 40 Millionen Mark Fördermittel

1von Bund und Land in den Ausbau der Windenergienutzung geflossen.

Auf der Konferenz, die noch bis Freitag dauert, soll in rund 250 Beiträgen und mit einer Designer- und Industrie-Ausstellung das ge-

1samte Spektrum der alternativen Technologie dargestellt werden. Zum bisher größten Windenergie- Kongreß in Europa werden mehr als 500 Teilnehmer aus 33 Ländern erwartet. Vera Stadie