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Ofen aus für Stahl in Rheinhausen

■ Im Standortpoker gewinnt das Dortmunder Hoesch-Stahlwerk/ Belegschaft will kämpfen

Bochum (taz) – Das heißumkämpfte Krupp-Stahlwerk in Rheinhausen wird endgültig geschlossen. Auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz gab Krupp- Stahl-Chef Jürgen Harnisch diese Entscheidung gestern nachmittag bekannt. Der Beschluß der Vorstandsriege, der eigentlich bis zur Aufsichtsratssitzung am Donnerstag geheim bleiben sollte, war zuvor an einige Journalisten durchgesickert. Der Rheinhausener Betriebsrat, der am Vormittag vom Krupp-Arbeitsdirektor eingeweiht wurde, berief wenige Stunden später eine erste Belegschaftsversammlung ein. Den Beschluß, so sagte Betriebsratsmitglied Klaus Liepmann der taz, „werden wir nicht so einfach hinnehmen“. Man werde die Republik wie 1987 „noch einmal informieren“. Zur Jahreswende 87/88 hatten die Rheinhausener Stahlkocher mit einem monatelangen Kampf um ihren Standort bundesweit für Aufsehen gesorgt und am Ende einen reduzierten Weiterbetrieb durchgesetzt. Jetzt soll die Stahlhütte komplett geschlossen werden.

Die noch verbliebenen 2.100 Jobs fallen ersatzlos weg. Auch der Sieger im Standortpoker, die Rohstahlbasis von Hoesch in Dortmund, muß erheblich Federn lassen. Von den rund 12.000 Dortmunder Hoesch-Stahlkochern sollen 2.400 ausscheiden. Nach den Worten von Harnisch will man versuchen, den Arbeitsplatzabbau über Sozialpläne zu realisieren.

Die Entscheidung für die Hoesch-Rohstahlbasis in Dortmund sei allein aus sachlichen Erwägungen gefallen. Politische Erwägungen hätten dabei „keine Rolle gespielt“. Mit der Landesregierung, so sagte Harnisch gestern auf der Pressekonferenz, sei über den „Beschluß noch gar nicht gesprochen worden“. Durch die Konzentration der Rohstahlbasis auf einen Standort ergibt sich nach den Vorstandsangaben ein „Ergebnisverbesserungspotential von 250 Millionen Mark im Jahr“. Außerhalb der Rohstahlbasis kommen durch die Fusion weitere „Synergieeffekte von 300 Millionen Mark“ hinzu. Diese Einspareffekte entsprechen etwa dem Verlust, den der Stahlbereich im fusionierten Konzern allein in diesem Jahr einfährt – rund 500 Millionen Mark.

Durch die Schließung von Rheinhausen wird die Rohstahlkapazität des Gesamtunternehmens von 725.000 Monatstonnen auf den erwarteten Bedarf von 540.000 Monatstonnen reduziert. Beim Vergleich der laufenden Kosten für Personal, Transport und Sachkosten lag Rheinhausen nach Harnischs Worten um 5 Millionen Mark günstiger als Dortmund. Ausschlaggebend für die Entscheidung gegen Rheinhausen seien die hohen Investitions- und Zusatzkosten am Duisburger Standort gewesen, die Harnisch auf 250 Millionen Mark bezifferte. Dieses Geld hätte man in Rheinhausen ausgeben müssen, um den stillgelegten zweiten Hochofen wieder anzufahren und die etwa 15monatige Umstellungsphase zu überbrücken. In Dortmund fallen vergleichbare Kosten nicht an. Der gesamte Arbeitsplatzabbau soll bis Ende 1994 abgeschlossen sein. Rainer Schuh, der die Pressekonferenz in Bochum gestern für den Rheinhausener Betriebsrat beobachtete, gab sich gestern „optimistisch, daß es jetzt noch mal richtig losgeht. Das hier heute ist noch nicht das letzte Wort.“ Walter Jakobs Seite 2

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