: Kurdisch an Bremer Schulen
■ Muttersprachlicher Unterricht eingeführt / Rosen für den langen Herrn Senator
Für 45 kurdische Kinder und ihre Lehrer war gestern ein Feiertag: Mit roten und gelben Rosen erschienen die GrundschülerInnen zur Pressekonferenz bei Bildungssenator Henning Scherf. Erstmals in der Bundesrepublik sollen kurdische Kinder in Bremen auch muttersprachlichen Unterricht erhalten. Sonst ist das nur noch in Schweden und den Niederlanden möglich.
Nur leise tuschelten sie, während ihr Lehrer dem Land Bremen mit bebender Stimme dankte und Scherf den dreijährigen Modellversuch erläuterte: Seit Anfang März werden 45 Kinder in den Bremer Schulen Am Lüssumer Ring und Am Wasser in Kurdisch unterrichtet - zweimal wöchentlich je zwei Stunden zusätzlich zum normalen Grundschulunterricht. Ab Sommer soll es voraussichtlich auch in Huchting und Osterholz- Tenever kurdischen Unterricht geben. Bislang hat Bremen nur türkisch-sprachigen Kindern
Kurdische I-Männchen beim SenatorFoto: Katja Heddinga
(ca 3.500) muttersprachlichen Unterricht angeboten. Die rund 1.000 schulfplichtigen kurdischen Kinder waren leer ausgegangen.
Zwei Alphabete gleichzeitig: Das ist keine Überlastung, findet die Lehrerin Yvonne Müller, eine der InitiatorInnen. Im Gegenteil: Kinder, die keinen muttersprachlichen Unterricht haben, scheitern spätestens im 7. Schuljahr beim Fremdsprachenunterricht, weil ihnen jede grammatikalische Grundlage fehlt. Außerdem brauche man eine emotionale Bindung an die Sprache, um später auch eine andere leicht zu erlernen. Kurdischsprachiger Unterricht sei
also das Gegenteil von Gettoisierung.
Um die Kinder in ihrer Identität zu stärken, orientiert sich das speziell erstellte Unterrichtsmaterial an der kurdischen Kultur: In der neuen ABC-Fibel etwa werden die Buchstaben anhand der für kurdische Kinder so bedeutsamen Signalwörter wie etwa „Kürbis“ oder „Ziegenbock“ vorgestellt. Auf Zeichnungen, die für die ABC-Schützen „Sprechanlaß“ sein sollen, sieht man Frauen in einem Bergdorf Fladen backen.
Der Frage nach der PKK-Zugehörigkeit von Lehrkräften kam Scherf zuvor: „Wir sind keine
PKK-Deckadresse, und diese Kinderchen sind auch keine PKK- Agenten“, stellte er in aller Deutlichkeit fest. Bei der Auswahl der Lehrkräfte habe man „natürlich strikt“ darauf geachtet, daß eine Anbindung an „einseitig politisch ausgerichtete kurdische Organisationen wie Komkar oder PKK“ nicht bestehe. Er suche nicht das Einverständnis mit der türkischen Regierung, sondern sehe als seine Grundlage die Koalitionsvereinbarung. Das alles interessierte die Kinder herzlich wenig, sie lauerten nur darauf, von all den ernst dreinschauenden Persönlichkeiten ein Autogramm zu bekommen. cis
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen