piwik no script img

Die Melancholie des Salons

■ Die Video-Installation von Helene Mugot im Institut Francais / in jedem Sinne eine runde Angelegenheit

Es sieht grad so aus, als wäre der Raum ein Teil ihrer Installation. Als sei die ganze, ehrwürdige Contrescarpe-Villa, in der in Bremen das Institut Francais residiert, ein Teil des Kalküls von Helene Mugot, der fast 40 Jahre alten, aus Algerien stammenden französischen Malerin und Medienkünstlerin.

Jener Raum im Parterre jedenfalls paßt ganz ausgezeichnet. In seinem festlichen, sanften Oval umrahmt er die Runden von 24 flimmernden Bildschirmen, die sich gegenseitig ihre Bilderwelten vorspielen: Wasser, das sich kräuselt und das Licht in kristallischen Reflexionen blitzt. Nicht zu groß ist er und nicht zu klein. Er bietet ausreichend Platz, daß man außen um den Bildschirmring herumgehen kann, und wiederum nicht so viel, daß sich die Installationen im Raum verlöre. Er verbreitet schon für sich genommen eine festliche Atmosphäre, einen leicht barocken Hauch, den Hauch von Debütantinnen-Bällen und Konversations-Partys. Ein Salon eben.

Mit ähnlichen Assoziationen spielt Helene Mugots Opera Cosmique. Ein opulenter Kristallüster dreht sich langsam inmitten des Bildschirmrings, am Boden schnurrt ein sachlicher Ventilator. Der Kreis als gemeinsame Form: als Form der entgegengerichteten Bewegung von Lüster und Ventilator, und als Form der Anordnung der Bildschirme. Eine gleichmäßig gekrümmte Form ohne Anfang und Ende, unendlich.

Helene Mugot spielt mit Ewigkeitswerten, mit der geschlossenen Form, mit den vier Grundelementen. Mit dem Wasser in ihrem Film, der Luft, die erst durch die Bewegung, in die sie der Ventilator versetzt, spürbar wird. Mit dem Glitzern und Flackern des Lichts und mit Kristall, einer extrem harten und extrem klaren Daseinsform der Erde. Eine runde Installation, in jedem Wortsinn.

Leise klimpern Töne durch den Raum, Töne, wie sie entzünden, wenn die Kristallperlen des Lüsters aneinanderstoßen. Was sie nicht tun. Töne, die auch an das unaufhörliche Plätschern der Kräuselwellen erinnern, wie sie jedes Hafenbecken beleben. Eine Musik ohne Anfang und Ende.

Ein perfektes Ambiente, gleichzeitig konkret hanseatisch und universell universal, gewissermaßen ergreifend. Eine spezielle Melancholie strahlt aus dieser Atmosphäre, aus dem wohlabgestimmten Proportionen und Rundungen, aus dem funktionsentleerten Barockglanz und der stoischen Gleichförmigkeit jeder Bewegung. Eine Melancholie, wie sie zum Salon gehört: die Unentrinnbarkeit des ästhetisch gepflegten Immergleichen, dem Klingklang der Konversation, dem Schillern der Diademe und der Verdammung zur Tatenlosigkeit. Um sie zu beschreiben bräuchte man die Abgeschiedenheit der kleinen Kammer. Und Jahre, 18 mindestens. step

zu sehen bis zum 19.3

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen