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Nordkorea, heimliche Atommacht?

■ Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) ist schon seit längerem der nordkoreanischen Plutoniumproduktion auf der Spur / Nach US-Auffassung "größte Bedrohung" für Asien

Berlin (taz) – Nach dem gestrigen Beschluß Nordkoreas, den Atomwaffensperrvertrag einseitig aufzukündigen, erscheint eine Konfrontation zwischen der kommunistischen Regierung von Kim Il Sung und der UNO unausweichlich. Am 25. Februar hatte die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) Nordkorea ein Ultimatum von 30 Tagen gesetzt, um Inspektionen in zwei Atomanlagen in Yongbyon, nahe der Hauptstadt Pjöngjang, zuzulassen. Die USA hatten damals erklärt, bei Nichterfüllung könnte der UNO-Sicherheitsrat Sanktionen gegen Nordkorea verhängen.

Wie Matthias Dembinski, Mitarbeiter der „Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung“ (HSFK), der taz erklärte, handelt es sich bei den beiden Anlagen um Atommülldeponien, von denen IAEO-Inspektoren Proben mitnehmen und analysieren wollen. Nach nordkoreanischer Auffassung sind dies militärische Installationen, zu denen die IAEO kein Zugangsrecht habe. Bereits im letzten Jahr, so Dembinski weiter, hatten IAEO-Inspektoren eine nordkoreanische Atomanlage besucht und Proben entnommen, aus deren Analyse später hervorging, daß Nordkorea mehrmals atomwaffenfähiges Plutonium aus verbrauchten Brennstäben abgetrennt hat – sowohl in den 80er wie in den 90er Jahren. Nordkorea hatte demgegenüber erklärt, nur ein einziges Mal Plutonium produziert zu haben, und zwar nur in kleiner, nicht waffenfähiger Menge. Aus ihren Analysen schließt die IAEO, daß in Nordkorea eine Wiederaufbereitungsanlage im Bau ist – die bei ihrer Fertigstellung genug Plutonium produzieren würde, um die Herstellung von Atomsprengköpfen zu ermöglichen. Nordkorea sei daher nur wenige Jahre vom Aufstieg zur Atommacht entfernt. Die Inspektion der Atommülldeponien sollte weitere Erkenntnisse über den Stand des nordkoreanischen Atomprogramms ermöglichen.

Nordkorea war dem Atomwaffensperrvertrag erst 1985 beigetreten, weigerte sich aber jahrelang, die vertraglich vorgesehenen IAEO-Inspektionen seiner Atomanlagen zuzulassen, da das US-Militär nach seiner Auffassung Nuklearwaffen in Südkorea stationiert hält. Präsident Kim Il Sung hat immer bestritten, daß sein Land an Atomwaffen arbeitet. Die Wochenzeitschrift Stern berichtete aber vor kurzem unter Berufung auf den russischen Geheimdienst KGB, Nordkorea habe im Februar 1990 in Yongbyon seinen ersten Atomsprengkopf hergestellt und im Jahr 1992 56 Kilogramm Plutonium aus der Ex-Sowjetunion geschmuggelt. Am letzten Donnerstag erklärte die Regierung Japans, Nordkorea verfüge über Spaltmaterial für zwei oder drei Atombomben.

Im Dezember 1991 hatten Nord- und Südkorea ein Abkommen unterzeichnet, wonach die koreanische Halbinsel zur atomwaffenfreien Zone werden sollte. Es war ein erster Schritt zur Entspannung nach einer Zuspitzung des Atomstreits, im Laufe dessen der damalige US-Außenminister James Baker erklärt hatte, Nordkoreas Atomprogramm sei die „größte Bedrohung“ für die Sicherheit Asiens. In US-Kreisen wurde damals erwogen, nordkoreanische Atomanlagen durch Luftangriffe zu zerstören oder in der UNO eine internationale Wirtschaftsblockade gegen Nordkorea durchzusetzen.

Die jetzige Krise erinnert stark an diese Zeit. Das IAEO- Ultimatum vom 25. Februar wurde von Nordkoreas Regierung scharf zurückgewiesen, worauf in den Medien von USA und Japan Berichte über mögliche Krisenpläne gegen einen baldigen Zusammenbruch des nordkoreanischen Regimes erschienen. Am vergangenen Montag rief Nordkorea den „halben Kriegszustand“ aus, nachdem Südkorea und die USA zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder ein gemeinsames Militärmanöver begannen. D.J.

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