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■ Das PortraitKim Campbell

Kim Campbell muß nicht erst Regierungschefin von Kanada werden, um zu beweisen, daß sie eine gute und erfolgreiche Politikerin ist. Als Ex-Justizministerin und amtierende Verteidigungsministerin hat sich die 45jährige bereits genügend Meriten verdient – und in den Augen mancher männlicher Kollegen bereits genügend Karriere gemacht. Doch Kanadas konservative Regierungspartei ist so sehr in die Mißgunst der Wähler geraten, daß sie für den Wahlkampf im Herbst möglicherweise zu radikalen Methoden greifen will: eine Frau ins Rennen schicken.

Zuerst muß sich die ehemalige Rechtsprofessorin gegen parteiinterne Konkurrenz durchsetzen. Campbell gilt als Linke, als „Red Tory“, die keine Koalitionen mit Feministinnen oder Schwulen- und Lesbengruppen scheut. Und sie beherrscht Englisch und Französisch. Das ist in Kanada nicht ungewöhnlich, wohl aber in British Columbia, Campbells Heimatprovinz, die sich durch eine notorische Abneigung gegen das Französische im allgemeinen und die Provinz Quebec im besonderen auszeichnet. Campbells Herkunft und ihr Bilingualismus könnten im Wahlkampf zusätzliche Stimmen im franko- wie anglophonen Lager bringen. Daß sie als Absolventin der London School of Economics mit dem Schwerpunkt „Sowjetische Geschichte“ auch noch russisch spricht, dürfte sie zum sprachbegabtesten Mitglied beim nächsten G-7-Gipfel machen – vorausgesetzt, sie wird gewählt.

Neben Mehrsprachigkeit zeichnet sie sich vor allem durch scharfe und respektlose Rhetorik aus. Gegner des nordamerikanischen Freihandelsabkommens, das sie vorbehaltlos unterstützt, müssen sich ebenso auf verbale Hiebe einstellen wie Opponenten, die sie als „Madonna der kanadischen Politik“ zu denunzieren versuchen. Der Vergleich mit dem Rockstar bezieht sich auf ein Foto Campbells, auf dem sie hier Foto Nr. 7 NEU

Foto: Reuter

mit nackten Schultern die Amtsrobe der Justizministerin vor sich her trägt. Was den Unterschied zu Madonna betrifft, sagt Campbell, der „ist so groß wie zwischen einem trägerlosen Abendkleid und einem kleidlosen Abendträger“. Die Presse liebt solche Formulierungskünste, die Opposition hofft, daß sich Kim Campbell damit bald in diverse Fettnäpfe manövriert. Sie selbst gedenkt nicht, sich einen Sprachfilter zuzulegen: „Ich bin viel zu faul, um mich zu verknoten.“ Andrea Böhm

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