: Serben öffnen Korridor nach Srebrenica
■ UNO-General Morillon vereinbarte Waffenpause für die Stadt/ Auch Bosnier zur Einstellung ihrer Gegenoffensive bereit/ Erneut Hilfsgüter abgeworfen
Sarajevo (AP/AFP) – Das Militär der bosnischen Serben hat gestern der Schaffung eines Korridors zugestimmt, über den die eingeschlossene Stadt Srebrenica versorgt werden soll. In einer Erklärung heißt es, nach Einwilligung von Serbenführer Radovan Karadžić werde eine Landverbindung bis nach Zvornik an der Drina geöffnet. Der Korridor kann nach Angaben der Nachrichtenagentur Tanjug auch von serbischen und muslimischen Zivilisten genutzt werden. Die Militärführung habe die sichere Durchfahrt von Konvois zur Versorgung und zur Evakuierung von Verwundeten garantiert. Die in Zvornik seit Donnerstag aufgehaltenen 23 LKWs mit Hilfsgütern sollten noch gestern nach Srebrenica weiterfahren.
Nach UNO-Angaben hörte der Beschuß Srebrenicas durch die Serben gestern auf. Die Feuerpause hatte der UNO-Befehlshaber in Bosnien, General Philippe Morillon, mit dem bosnisch-serbischen Stabschef Manojlo Milovanović ausgehandelt. Als Gegenleistung setzten die bosnischen Regierungstruppen laut Radio Sarajevo ihre Gegenoffensive in Ostbosnien aus.
In Srebrenica befinden sich nach Morillons Angaben rund 50.000 Menschen. Da der Ort ursprünglich nur 9.000 Einwohner zählte, drängten sich nun Unzählige in den Straßen. Beim Einschlag einer einzigen Granate könnten bis zu 200 Menschen sterben. Morillon hatte gesagt, er wolle bis zum Eintreffen des Konvois als „Schutzschild“ in der Stadt bleiben.
Der Vertreter des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, Larry Hollingworth, wies in Srebrenica Vermutungen zurück, die Anwesenheit des Generals habe die Durchfahrtgenehmigung der Serben für den Konvoi verzögert: „Seine Anwesenheit bedeutet Druck auf die Serben in humanitären Fragen.“ Hollingworth berichtete, unter den Obdachlosen seien 900 Kinder, davon 150 Säuglinge.
Die US-Luftwaffe warf in der Nacht zum Dienstag erneut 20 Tonnen Lebensmittel und Medikamente über Srebrenica ab. Laut UNHCR weigern sich die hungernden Einwohner der Stadt, die Hilfsgüter mit den Flüchtlingen zu teilen.
General Morillon bezeichnte die Evakuierung der Menschen aus dem 25 Kilometer nordwestlich gelegenen Konjevic Polje als gelungen. Der bosnische Rundfunk sprach von 12.000 Menschen, die nach der Eroberung des Orts durch Serben am Montag von Panzern gejagt würden. In Sarajevo nahm unterdessen der Beschuß durch schwere serbische Waffen und Heckenschützen zu. Nach UNO-Angaben ist es der schwerste seit drei Wochen.
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