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■ Neu im Kino:Dügün - Die Heirat

Neu im Kino:

Dügün — Die Heirat

Etwa zwanzig Minuten lang zeigt dieser Film in fast dokumentarischen Bildern die althergebrachten Hochzeitszeremonien, wie sie in einem kleinen Dorf im Osten Anatoliens gefeiert werden. Daß könnte exotisch, fröhlich und idyllisch wirken, aber für den Bräutigam ist dieses Fest eine Katastrophe. Und weil wir mit ihm, mit dem jungen Metin, aus Berlin in sein Heimatdorf gereist sind, das ihm fast genauso fremd geworden ist wie uns, hat die ganze Feier einen bedrohlich, tragischen Unterton.

Denn Metin wurde von seinem Vater mit einer Lüge zurück in die Türkei gelockt, wo alle Vorbereitungen für seine arrangierte Heirat schon abgeschlossen sind. Daß er eine Verlobte in Deutschland hat, seine Braut Aygül seit seiner Kindheit nicht mehr gesehen hat und sich mit Händen und Füßen gegen die Heirat sträubt, interessiert niemanden. Die Schande, die er durch seine Verweigerung über die Familie und das ganze Dorf bringen würde, könnte nur mit seinem Tod gesühnt werden, und so läßt er verzweifelt und widerwillig die Zeremonien über sich ergehen.

Mit der gnadenlosen Logik einer Tragödie entwickelt sich die Geschichte auf die erste und letzten Begegnung der Vermählten in der Hochzeitsnacht hin. Sobald seine Frau ihre Jungfernschaft verloren hat, soll Metin aus dem Fenster schießen. Aber mit der Pistole wird nicht der Beginn, sondern das Ende dieser Ehe besiegelt.

Der junge Regisseur Ismet Elci brauchte für das Drehbuch dieses Films nur seine eigene Biographie ein wenig zu dramatisieren. Auch er kam als Kind mit seinem Vater aus Ostanatolien nach Berlin, auch er blieb in Deutschland, während sein Vater ins Heimatdorf zurückkehrte, und auch er hatte große Schwierigkeiten, sich gegen die traditionellen islamischen Einstellungen seines Vaters durchzusetzten.

Von diesem Lebensgefühl eines zwischen zwei völlig entgegengesetzten Kulturen hin- und hergestoßenen Menschen erzählt er in seinem Film. Sein Stil ist dabei kunstlos, fast karg und auf das Wesentliche beschränkt. Seine Kraft schöpft der Film aus den Emotionen: die Wut, Trauer und Angst von Metin sowie die bescheidenen Hoffnungen und zerstörten Träume von Aygül werden in kurzen, prägnanten Szenen intensiv spürbar. Mehr braucht Elci nicht, um die Zuschauer ganz auf die Seite der Opfer zu ziehen und so dem Film die nötige Spannung zu geben. In ihrer einzigen gemeinsamen Szene passen die beiden überraschend gut zusammen, denn im Grunde ist „Dügün“ eine paradoxe Variation der uralten Geschichte: die beiden Königskinder können nicht zusammenkommen, weil sie miteinander verheiratet wurden. Wilfried Hippen

Cinema, türkische Originalfassung mit Untertiteln, tägl. 19.30 Uhr / Kino 46 18. — 20. und 22.3. 20.30 Uhr

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