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■ New York: Eine besiegt geglaubte Krankheit breitet sich ausDie Rückkehr der Tuberkulose

New York (IPS) – Wie ein Fegefeuer breitet sich seit zwei Jahren die in den USA noch 1970 besiegt geglaubte Tuberkulose (TB) in Chinatown aus.

Allein zwischen 1990 und 1991 ist die Infektionsrate in den von Asiaten bewohnten Stadtvierteln New Yorks um 55,6 Prozent in die Höhe geschnellt. Von einer Million Menschen sind nach Angaben des New Yorker Gesundheitsministeriums hier bereits 469 infiziert. Damit sind die Asiaten die am härtesten geschlagene Bevölkerungsgruppe – die Vergleichswerte für ganz New York liegen derzeit bei 502 TB-Kranken je eine Million Einwohner und einem 38prozentigen Anstieg der Infektionsrate zwischen 1990 und 1991.

Die Krankheit, erklärte Grace Wang, Ärztin an der privaten „Chinatown Klinik“ in Manhattan, raffe vor allem ältere Menschen dahin. Ungehindert könne sich der durch Tröpfcheninfektion übertragene Virus in den beengten Verhältnissen, unter denen gerade die Asiaten leben müßten, verbreiten.

Daß zwei oder drei Familien in einer Wohnung zusammengepfercht würden, sei durchaus üblich, bestätigte Florence Eng von der für bessere Lebensverhältnisse kämpfenden chinesischen Gruppe „It's Time“. Längst hätten sich die Asiaten daran gewöhnt, die Wohnräume in wechselnden Schichten zu nutzen. „Wen wundert es, daß unter diesen Umständen die sanitären Einrichtungen in einem miserablen Zustand sind“, beklagte sie. Der Grund allen Übels jedoch, so Eng, sei zu einem guten Teil bei den Hauseignern zu suchen, die ihre Objekte aus reiner Profitgier mehrfach vermieteten und sich nicht einmal scheuten, Heizkeller als Wohnräume auszuschreiben.

Gerade in diesen völlig unzulänglich belüfteten Kellerlöchern aber verbreite sich, wie Elaine Chan vom Planungsrat für Manhattans Lower East Side erläuterte, das TB-Virus besonders schnell. Natürlich, gab sie zu, wisse der Planungsrat um die desolate Wohnungslage. Tatsächlich hätten sich asiatische Organisationen in den letzten Jahren auch redlich bemüht, neuen Lebensraum zu schaffen, aber alle Versuche seien gescheitert. Der Strom der Zuziehenden reiße einfach nicht ab, und solange sie die englische Sprache nur schlecht beherrschten, suchten die Neuankömmlinge die Nähe ihrer Landsleute. Zu 95 Prozent, schätzt Chan, würden die etwa 20 Blocks im Herzen Chinatowns mittlerweile von Chinesen bewohnt. Nur 50.000 Mieter seien asiatisch-amerikanischer Herkunft oder stammten von den pazifischen Inseln.

Darüber hinaus ist es mehr als fraglich, ob sich im Zuge der Budgetkürzungen im Gesundheitswesen, die jegliche Vorsorgemaßnahmen bislang zunichte gemacht haben, die Lage bald bessern wird. Seit 1970 mußte die Stadt fast 1.000 Krankenhausplätze, die einst TB- Patienten vorbehalten waren, abbauen. Nicht mehr als sieben ganztägig arbeitende Schwestern könne sich New York derzeit leisten, um den Betrieb in dortigen TB-Kliniken aufrechtzuerhalten, erklärte Karen Brudney vom Colombia University Hospital. Farhan Haq

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