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Glanz und Elend der neuen Reichen

■ Fotografien von Dennis Hopper und Andy Warhol im Haus am Waldsee, Berlin

Es ist immer wieder faszinierend, daß gelungene Fotografien, zumal Porträts, im Gegensatz zu Ölbildern, Stahl und Gips kaum zu altern scheinen. Als würde die Apparatur im Abbild nicht nur den berechneten Zeitpunkt stillgestellt halten, sondern überdies jenen gelebten gleichwohl mit verlängern. Vielleicht läßt sich auch nur auf diesem Wege das Erstaunen begreifen, wenn man die Fotografie eines Bikers erblickt, die Dennis Hopper um 1965 herum angefertigt haben muß, und der Motorradtyp von nebenan oder der Rocker aus dem letzten Konzert der neuesten Seattle-Band zurückschaut. Der aufregende Augenblick einer Begegnung, in der das Bild sich auf dem Sprung befindet, Eigenleben zu gewinnen: Dann trennt das Foto in der Darstellung nicht mehr zwischen Wahrnehmung und Repräsentation. Dann ist man im Bilde.

Dennis Hopper hat all diese Augenblicke fast unwillkürlich aufgenommen. Selten schauen seine Protagonisten in der Erwartung eines Spiegelbildes in die Kamera, vielmehr scheinen die Fotos einen Bruchteil vor oder nach ihrem Zusammentreffen mit der Apparatur entstanden zu sein. Das Bild befindet sich bereits in der Auflösung. Die Anspannung, oft mit dem fruchtbaren Augenblick verwechselt, schwindet zugunsten einer menschlichen Regung.

Es mag auch an der Abgeklärtheit derer liegen, die bei Hopper dem Medium entgegentreten. Ein Großteil der ausgestellten Fotos zeigt befreundete Künstler aus der Zeit der Pop-Art, die ihrerseits auch die Hintergründigkeit des Abbildes in Frage gestellt haben. Und die Hell's Angels hatten damals ganz andere Imageprobleme.

Auf dem Gruppenfoto mit Andy Warhol und David Hockney findet das Arrangement der vier Männer einzig durch die verschiedenen Gesten des Rauchens statt, die gleichsam über den abgelichteten Zeitpunkt hinausstreben. Daß Dennis Hopper gerade diesen Moment einer symbolischen Handlung aufgenommen hat, verwandelt die Gebärden zurück in Haltungen und fügt dadurch die Figuren wieder als menschliche zusammen. In der Halbnähe der Einstellung liegt die eigentliche Nähe zum Gegenstand, von der Jean-Christophe Ammann im Katalog über Dennis Hopper berichtet: „Spricht er über die Fotos, dann erzählt er von den Menschen, die sie zeigen“. In den Bildern sind diese Geschichten weder ein- noch abgeschlossen.

Andy Warhol zeigt in seinen Fotografien einen gänzlich andersgearteten Umgang mit Zeiten und Menschen. Hysterisch zögert er den Moment des Aufpralls von Objekt und Apparat hinaus, bis aus beidem das Leben gewichen ist: „Soweit ich mich erinnere, schoß ich mein Bild einige Sekunden bevor Andy auf seinen Auslöser drückte“, erinnert sich der amerikanische Prominenten-Fotograf Bob Colacello an einen gemeinsamen Porträttermin bei Willy Brandt. Warhol hätte ihm zugleich verlegen und entwaffnend mit einem Satz aus seinem Repertoire über die unauflösbare Verstrickung von Kunst und Leben geantwortet: „people are so fantastic. You can't take a bad picture.“ Doch in diesem Statement über die Welt als eine Fraternität egalitärer Stars schwingt schon die Ironie der reinen Oberfläche mit, die in fast allen Porträt- und Actionfotos aus dem Jetset nachhallt, die er zwischen ‘76 und ‘79 gemacht hat. Die Bilder können nicht schlecht sein, weil sie über die Menschen nichts aussagen.

Laut Warhol leidet die von ihm abgebildete Hautevolee unter „social disease“, der Sucht nach Aufmerksamkeit innerhalb einer Etikette, die, von den repräsentativen Strukturen der Öffentlichkeit diktiert, alle Differenzen einebnet. Allein verbindlich ist das Spiel mit dem Image. Liz Taylor muß trinken, ob als Mensch oder als Symbol. Man hat den Eindruck, als würden sich die Stars zwischen Studio 54 und Hotel-Suite von der Kamera permanent in ihrem Lebenswandel motivieren lassen. Bianca Jagger rasiert ihre Achselhöhlen, Liza Minelli krabbelt auf dem Teppichboden herum; die volltrunkene Taylor posiert mit Elefantenmaske und Sylvester Stallone läßt sich ungeniert die muskelbepackte Brust betatschen. Die leere Offenheit der Gesten macht die Photos unangenehm, weil sie das Privatleben scheinbar endgültig eliminiert. In Wirklichkeit entledigt Warhol die Gossip-Ikonen jedoch vom Mythos eines vermeindlich letzten Restes an Individualität, der sie überhaupt erst für die Medien interessant macht. Die Prints geben die Negative im aufgeblähten Zuschnitt des Fernsehbildschirms wieder.

Zeitgleich zu den Eskapaden im Nachtleben von New York entstanden in der Factory die Allegorien über den Tod. Glanz und Elend der neuen Reichen lagen nahe beieinander. Harald Fricke

Dennis Hopper: Photos 1961 - 1967; Andy Warhol: „social disease“ - photographs ‘76 - ‘79; bis 31.3.; Haus am Waldsee, Argentinische Allee 30, 1000 Berlin 37; Di-So 10 - 18 Uhr; Kataloge zu Hopper und Warhol bei Edition Cantz. Weitere Ausstellungsorte: 7.4 bis 23.5. Fotografie Forum Frankfurt; 2.6 bis 25.7. Kunsthalle Kiel und 21.8. bis 3.10. Brandenburgische Kunstsammlungen Cottbus.

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