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Spekulantengier in Winterhude

■ Schinkelstraße: Eigentümer beantragen Abgeschlossenheitserklärungen für zwei Häuser / Angst vor vertreibung geht um

: Eigentümer beantragen Abgeschlossenheitserklärungen für zwei Häuser / Angst vor Vertreibung geht um

Das Umwandlungskarussell von Miet- in Eigentumswohnungen dreht sich unvermindert weiter. Jetzt hat es die MieterInnen in der Schinkelstraße 13 (Winterhude) „wie ein Blitz“ getroffen. Die Lutz Möring Immobilien GmbH hat für dieses Haus bei der Baubehörde des Bezirksamtes Winterhude die Abgeschlossenheitserklärung beantragt – knapp zwei Monate nach dem Kauf.

Noch in einem Schreiben von Dezember gab der neue Besitzer seinem Wunsch nach einem „harmonischen Mietverhältnis“ Ausdruck. Doch das währte nur kurz: Vor wenigen Tagen informierte die Baubehörde die BewohnerInnen, daß eine Abgeschlossenheitserklärung beantragt wurde. „Heute folgern wir“, so beklagen die MieterInnen in einem Brief an PolitikerInnen und den Eigentümer, „daß es sich bei dem harmonischen Mietverhältnis nur um einen harmonischen Auszug handeln soll.“

Die Angst vor einer Luxusrenovierung der 19 Wohnungen ist im ganzen Haus spürbar. Befürchtungen über drastische, unbezahlbare Mieterhöhungen kursieren. Altenpflegerin Ute Reshöft: „Daß sie uns so völlig im Regen stehen lassen, macht mich nervös.“ Denn eine Erklärung des Vermieters konnten sie bislang nicht bekommen. Auch die taz mußte sich mit dem Anrufbeantworter zufrieden geben. Die BewohnerInnen vermuten: Ihr altes Arbeiterhaus, das 1914 gebaut wurde, ist zum Spekulationsobjekt geworden. Die Möring GmbH hat es vor dem Kauf anscheinend nicht einmal besichtigt.

Betroffen ist eine intakte Hausgemeinschaft. Viele Parteien wohnen schon über zehn Jahre in dem Haus. Die Mieten zwischen fünf und acht Mark pro Quadratmeter liegen im Durchschnitt des Winterhuder Mietenspiegels für Altbauten ohne Bad und Heizung — noch. Auch wenn die Wohnungen viele Mängel aufweisen – der Fußboden sackt teilweise ab — die dringend repariert werden müssen, sind die Mieter bisher mit ihren Wohnungen zufrieden. Freiwillig ausziehen will keiner. Jura-Referendar Thomas Hartmann: „Wo in Innenstadt- Nähe kann ich mir heute noch eine Wohnung leisten?“ Und alle MieterInnen betonen einhellig: „Wir fühlen uns hier wohl.“

Besonders schlimm empfindet eine alte Rentnerin die Unsicherheit. Aus Furcht will sie nicht einmal ihren Namen nennen. Ihr ganzes Leben verbrachte sie in diesem Haus, das ihre Eltern schon 1916 bezogen haben. „Warum läßt man

1uns nicht in Frieden?“, fragt sie jetzt ängstlich.

Eine Frage, die sich auch die MieterInnen in der Schinkelstraße 2 stellen. Auch ihr Hauseigentümer beantragte eine Abgeschlossen-

1heitserklärung. Antworten erhoffen sich die AnwohnerInnen von einem Informationsabend, der heute ab 19 Uhr im Goldbekhaus (Moorfurtweg 9) stattfindet. Eingeladen ist ein Vertreter von „Mieter helfen Mie-

1tern“, Stadtentwicklungsenatorin Traute Müller, die Fraktionen der Bezirksversammlung Hamburg- Nord und Barbara Möring, Geschäftsführerin der Möring GmbH. Torsten Schubert

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