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CDU schießt sich auf Engholm ein

■ Nach Jansen-Rücktritt befürchtet die SPD eine Schmutzkampagne zur Demontage ihres Kanzlerkandidaten; "Jagdszenen aus Schleswig-Holstein: Das Opfer soll zu Täter gemacht werden"

Bonn (AP/dpa) – Nach dem Rücktritt des schleswig-holsteinischen Sozialministers Günther Jansen schießt sich jetzt die CDU auf den SPD-Kanzlerkandidaten und Kieler Ministerpräsidenten Björn Engholm ein. Sozialdemokraten versuchen demgegenüber, sich „der Demontage des Kanzlerkandidaten der SPD“ zu widersetzen. In der BZ sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Rüttgers: „Engholm opfert seinen besten Freund, um den eigenen Hals aus der Schlinge zu ziehen. Er steckt aber viel zu tief im Treibsand, als daß er sich durch ein solches Bauernopfer retten könnte.“ Der rechtspolitische Sprecher der Fraktion, Norbert Geis, sagte, wenn sich herausstellen sollte, daß Engholm über den „Doppelagenten Reiner Pfeiffer“ informiert gewesen war, dann sei er „nicht mehr zu halten.“ Jansen war am Dienstag abend zurückgetreten, weil er nach eigenen Angaben die Reaktionen auf seine Geldzahlungen an den früheren Barschel-Referenten Pfeiffer falsch eingeschätzt hatte. Jansen hatte aus seinem Privatvermögen Pfeiffer in zwei Raten rund 40.000 Mark zukommen lassen.

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Wolfgang Thierse warf der Union und der FDP vor, sie versuche, den Kanzlerkandidaten der SPD zu demontieren. Es werde der Versuch unternommen, „das Opfer der schlimmen Barschel- Machenschaften von 1987 – Björn Engholm – zum Täter umzustilisieren.“

Gerd Walter, enger Berater des SPD-Chefs und schleswig-holsteinischer Bundesratsminister in Bonn, ist überzeugt, jetzt solle der SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Engholm mit dem „Gift infamer Verdächtigungen“ demontiert werden. Die Vorgänge zeigten aber auch, wie die „gesellschaftlichen Kräfte in Deutschland tatsächlich verteilt sind“. Die Lähmung, die die SPD in Schleswig- Holstein und im Bund zur unverhohlenen Freude der Union erfaßt hat, ist nach Walters Worten nur dann verständlich, wenn man „das tief Traumatische von damals begreift“. Bei Engholm und anderen seien erneut alte Wunden aus dem Barschel-Sumpf aufgebrochen. Wenn der Versuch, aus Opfern Täter zu machen, Erfolg haben sollte, wollten er und andere mit Politik nichts mehr zu tun haben. „Das sieht Engholm auch so.“ Zu den gegenwärtigen „Jagdszenen in Schleswig-Holstein“ gehöre die erneute gnadenlose Ausspähung des Privatlebens von Politikern durch Journalisten. Vergiftet werde das Klima auch durch Zeitungsanzeigen wie „Willkommen Herr Engholm, das Badewasser ist eingelassen“ – eine Anspielung auf den Tod von Uwe Barschel.

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