: Auch Kohl macht Front gegen Däubler-Gmelin
■ SPD hält an ihrer Kandidatin für das Verfassungsgericht fest
Bonn (taz) – Der Streit um die Wahl der SPD-Politikerin Herta Däubler-Gmelin zur Verfassungsrichterin weitet sich aus. Wie die taz gestern erfuhr, wendet sich neben CDU/CSU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble auch Bundeskanzler Helmut Kohl gegen eine Richterkür der SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzenden. Schäubles Protest decke sich „voll mit der Meinung des Kanzlers“, hieß es gestern im Kanzleramt.
Bereits am Mittwoch abend hatte die CDU/CSU-Fraktion Däublers Wahl überraschend abgelehnt. Die „Konsensfähigkeit“ des Vorschlags sei wegen des in der SPD veranstalteten „öffentlichen Gerangels“ um den Posten „nicht mehr gegeben“, erklärte Schäuble. Die Berufung zum Verfassungsgericht dürfe „nicht eine Frage des Geschlechts und schon gar nicht eine von parteiinterner Interessenbefriedigung“ sein.
Die SPD will dennoch an ihrem Vorschlag festhalten. Auch Däubler-Gmelin will, wie sie gestern sagte, „selbstverständlich“ bei ihrer Kandidatur für die Nachfolge des Vizepräsidenten des Verfassungsgerichts, Ernst Mahrenholz, bleiben. Nach dem bisher geübten Proporzverfahren steht die Mahrenholz-Nachfolge einem SPD- Kandidaten zu. Allerdings braucht die SPD im Wahlmännergremium des Bundestages dafür auch die Stimmen der Union.
In der SPD wurde gestern vermutet, daß CDU und CSU sich weniger am Verfahren störten, als vielmehr an der Person von Däubler-Gmelin. In der Vergangenheit seien auch höchst umstrittene CDU-Politiker, wie der ehemalige Bundesinnenminister Ernst Benda in das Karlsruher Gericht gewählt worden und hätten dort ihre Unabhängigkeit bewiesen. Der ehemalige Verfassungsrichter Helmut Simon hat, wie die Nachrichtenagentur AP ergänzend meldet, die Diskussion über die Kandidatur Däubler-Gmelins verteidigt. „Man sollte bei dieser Auseinandersetzung nicht so empfindlich sein“, sagte er. Schwer erträglich aber sei die Kritik der CDU an der Diskussion sowie die Forderung nach einer neuen Kandidatin. Simon verteidigte die politisch beeinflußte Richterwahl: zum einen sehe er kein besseres Wahlverfahren, zum anderen seien die gewählten Richter völlig unabhängig. hmt
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