: Nachbetrachtung über das Außenministerium
■ Abgeordnetenhaus debattierte, aber eine Meinung war gar nicht gefragt
Berlin. Am Anfang der Debatte stand die Sinnfrage. Was, so grübelte die FDP-Fraktionsvorsitzende Carola von Braun, „was für eine Debatte führen wir heute“? Diese Frage, mit der sie die gestrige Abgeordnetenhaussitzung zum Thema „Hauptstadtumzug“ einleitete, war rhetorisch, denn die Antwort stand nicht nur für sie bereits fest. Das Parlament könne „nur noch in Nachbetrachtung über das reden, auf was uns dieser Senat festgelegt hat“.
Die Festlegung, die der Senat am Dienstag in der gemeinsamen Kommission mit dem Bund getroffen hatte, behagte kaum einer Fraktion. Selbst bei CDU und SPD wurde noch am Dienstag hinter verschlossenen Türen zum Teil heftige Kritik geübt, als die Parlamentarier erfuhren, daß zukünftig das Bundesaußenministerium auf dem Marx-Engels-Forum residieren soll. Doch in der gestrigen Plenardebatte wurde wieder Koalitionsdisziplin geübt und die Planung begrüßt. Für den CDU-Abgeordneten Heinz-Viktor Simon wurde damit deutlich, „daß es zügig vorangeht“, der SPD-Mann Rudolf Kujath forderte die Kritiker des neuen Außenamtssitzes auf, die Entscheidung in das einzuordnen, „was insgesamt Hauptstadtplanung ausmacht“. Wer nur nörgele, werde nicht ernstgenommen. Offensichtlich nahmen die beiden Regierungsparteien die Auseinandersetzung über die Gestaltung der Mitte Berlins selber nicht ernst, denn mit Simon und Kujath waren lediglich zwei Redner der zweiten Reihe angetreten.
Es blieb den Oppositionsparteien überlassen, sich kritisch mit dem Regierenden Bürgermeister auseinanderzusetzen, der bemüht war, den Abgeordneten seinen Alleingang in Bonn schmackhaft zu machen. „Der Schwerpunkt der Gebäudemassen“ des Auswärtigen Amtes, so Diepgen, „wird nicht, wie immer wieder behauptet, auf dem ehemaligen Schloßgelände und heutigen Grundstück des Palastes der Republik liegen.“
Diepgen geht davon aus, daß Berlin bei der weiteren Planung ein entscheidendes Wort mitzureden habe. Während er an die Schloßfreunde in seiner Partei gewandt „der historischen Architektur im Zentrum der Stadt eine Chance“ einräumen will, kündigte die Abgeordnete des Bündnis 90/ Grüne, Michaele Schreyer, „entschiedenen Widerstand“ gegen den Abriß des Republikpalastes an. Ihrer Ansicht nach habe der Bundespräsident mit seinem Verzicht auf das Kronprinzenpalais sein Ohr näher an der Bevölkerung gehabt als die Berliner Volksvertreter. Diese schaffen es seit drei Monaten noch nicht einmal, den für Hauptstadtplanung zuständigen Parlamentsausschuß einzuberufen. Dieter Rulff
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