: Nie mehr solche Plattheiten-betr.: "Zwischen Idiotie und Sozialismus" (Interview mit Manfred Gullner), taz vom 22.3.93
betr.: „Zwischen Idiotie und Sozialismus“ (Interview mit Manfred Gullner), taz vom 22.3.93
Sehr geehrter Herr Gullner,
fragen Sie doch mal die Frauen der von Ihnen postulierten, aus Verzweiflung wegen Frauenbeauftragter nunmehr die Republikaner wählenden, nach „Männerbeauftragten“ lechzenden (warum sind die wohl bisher nie nötig gewesen?) „jungen Arbeiter“, ob die mit Frau Wieczorek-Zeul oder Frau Matthäus-Maier, die sich im übrigen sehr viel konsequenter für die Rechte des unteren „Gesellschaftsdrittels“ einsetzen als viele männliche Kollegen, auch „nichts anfangen“ können.
Wo bleiben alle diese Frauen, wo doch bekannt ist, daß ob Asylbewerber, Leichtlohngruppen, Arbeitsplatzabbau usw. die weibliche Hälfte von all diesen Nachteilen immer ungleich härter betroffen ist? Anscheinend trauen Sie denen noch nicht mal den IQ zu, sich durchs Wählen auszudrücken. [...]
Das mein Lieber, ist wirklich Arroganz, wie es für gewisse SPD- Kreise, die immer so genau wissen, was der „Arbeiter“ möchte, typisch ist. Es ist schade, daß sie aus dem Hessendebakel, das Sie nicht einem Rechtsrutsch in der Bevölkerung verdanken, immer noch nichts gelernt haben. Auf die SPD in NRW (und anderswo) kommen ganz ähnliche Debakel zu (siehe auch die Frankreich-Wahlergebnisse unter dem Sozi-Fürsten Mitterrand), wenn sie nicht endlich umdenken und sich für ökologisch- pazifistische und feministische Alternativen öffnen. Rot-grün ist angesagt.
Das sattsam wiedergekäute Argument, daß nur reiche Leute Grün wählen können, hängt einem langsam zum Hals raus. Was wollen Sie denn mit dem besten „Arbeitsplatz“, wenn alles vergiftet ist? Abgesehen davon, daß ein solcher Arbeitsplatz sich langfristig und konjunkturell nicht halten läßt. Die größten Kosten in der DDR verursachen doch jetzt katastrophale Umweltsünden. Wem ist denn damit jetzt geholfen? Den Arbeitern vielleicht? Was sollen sie mit kobaltverstrahltem Trinkwasser? Der weitaus größte Teil der Bevölkerung möchte den Ausstieg aus der Kernenergie. Rau genehmigt in Ahaus neue Zwischenlager, ohne mit der Wimper zu zucken. Merken Sie nicht, wie arrogant das ist?
Denken Sie endlich um! Hören Sie doch endlich mal auf die Menschen, die Sie vertreten wollen.[...] Sie werden um diese Anpassung sowieso nicht herumkommen – und das ist gut so. Wieso behaupten Sie eigentlich, die Grünen wären keine soziale Partei oder würden sich sozial nicht einsetzen? Ist die Giftwolke von Hoechst eigentlich nur auf Angestellte im öffentichen Dienst niedergegangen? Wer macht sich denn da wohl die meisten Sorgen, und wessen Kinder müssen wohl zuallererst darunter leiden? Also bitte, nie mehr solche Plattheiten! Birgit Völker, Düsseldorf
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