piwik no script img

Die Invasion der grünen Punkte

■ Duales System kann Kunststoffe nicht recyceln / Hamburger Firmen entsorgen sich in Indonesien / Umweltbehörde tatenlos

nicht recyceln / Hamburger Firmen entsorgen sich in Indonesien / Umweltbehörde tatenlos

Neuer Skandal um den Grünen Punkt: Nach Recherchen des ARD- Magazins Panorama hat das Duale System Deutschland (DSD) entgegen früheren Angaben doch mindestens 100 Tonnen Plastikmüll nach Indonesien geliefert. Daneben sollen noch tausende Tonnen Plastikmüll, die nicht im Rahmen des Dualen Systems gesammelt wurden, aus Deutschland in die südost-asiatische Inselrepublik verbracht worden sein. Einer der größten Müllhändler: Die „Recycling GmbH Hamburg“, eine Tochterfirma des Hamburger Müllsortierkonzerns Sane, Kruse und Pape.

Nach Unterlagen der Panorama- Redaktion lieferten die Hamburger Müllhändler allein zwischen dem 5. und dem 20. November via Hamburger Container-Terminal 290 Tonnen Industrie- und Agrarfolienabfälle nach Java. Mit ausdrücklicher Genehmigung der Hamburger Umweltbehörde. Die stoppte die Exporte nicht, da das Unternehmen eine indonesische Einfuhrgenehmigung und angeblich auch einen „Wiederverwertungsnachweis“ vorlegen konnte.

Doch die Recycling GmbH ist nach Erkenntnissen von Greenpeace nicht die einzige Hamburger Firma, die Plastikabfälle nach Indonesien verdealt. Nach Informationen von Greenpeace verdichten sich die Anzeichen dafür, daß Hamburg die Drehscheibe von zum Teil illegalen Plastikmüll-Geschäften zwischen deutschen und indonesischen „Entsorgern“ ist. Die Umweltorganisation will herausgefunden haben, daß auch das in Winterhude ansässige Unternehmen „Muehlstein International GmbH“ und die „Hermes Shipping & Transport GmbH“ an Kunsstoffmüllexporten nach Indonesien beteiligt sind.

Nach Angaben des indonesischen Umweltministeriums enthält der Plastikmüll nur zu höchstens 60 Prozent wiederverwertbare Stoffe. Im Klartext: Die restlichen 40 Prozent sind illegal eingeführte Abfälle, deren Deponierung das Schwellenland nach staatlichen Berechnungen jährlich 1,2 Millionen Mark kostet. Das Recycling des verwertbaren Plastikmülls hingegen verläuft unter frühkapitalistischen Umweltstandarts und Arbeitsbedingungen.

Greenpeace-Mitarbeiter Andreas Bernsdorf hat eine Plastikrecycling- Anlage in Jakarta besichtigt, in der zerkleinerter Plastikabfall zu Kleiderbügeln verschmolzen wird. Seine Beobachtung: „Es existiert dort keinerlei Arbeitsschutz für die Mitarbeiter, die die verunreinigten Abfälle per Hand sortieren und den bei der Schmelze entstehenden krebserregenden Styroldämpfen ausgeliefert sind“. Außer diesen Giftstoffen gelangen nach Bernsdorfs Angaben die Anlage, in der auch deutscher Müll verarbeitet

1wird, auch Aromate, Chlor und

Salzsäure ungefiltert in die Umwelt.

Allein im vergangenen Jahr wurde Indonesien mit über 100000 Tonnen Plastikmüll aus westlichen Industrienationen überschwemmt. Die indonesische Regierung verhängte im November zwar ein Importverbot für Kunststoffabfälle, dessen Überwachung ist in dem 13600 Inseln umfassenden Staatengebilde aber kaum möglich. Trotz-

1dem wurden seit dem Importstop mehr als 100 Container mit rund 2500 Tonnen Plastikmüll behördlich beschlagnahmt, darunter nach Greenpeace Angaben auch etliche deutsche Lieferungen.

In einem einzigen Müll-Lager vor den Toren von Jakarta entdeckten die Panorama-Redakteure unter freiem Himmel rund 2000 Tonnen Plastikabfälle mit dem Grünen Punkt und Aufschriften wie Aldi, Kaufring und BASF. Darunter viele Verbundverpackungen aus Aluminiumfolie und Plastik, die schon aus technischen Gründen nicht recycelt werden können. Nach Angaben von DSD-Geschäftsführer Wolfram Brück zeichnet seine Organisation aber nur für den Export von 100 Tonnen Kunststoffmüll nach Indonesien verantwortlich, der Rest müsse aus kommunalen Kunststoffsammlungen stammen und von privaten Müllhändlern verschifft worden sein, die mit der Duales System GmbH nichts zu tun haben. Greenpeacer Bernsdorf sieht das Duale System jedoch in der Mitverantwortung: „Die können und wollen ihre Subunternehmer gar nicht konsequent kontrollieren“. Denn die Plastikflut, die die Recycling- Gesellschaft überschwemmt, ist längst aus dem Ruder geraten. Allein in diesem Jahr müßten nach den gesetzlichen Vorgaben 350000 Tonnen deutsche Plastikabfälle aufbereitet werden. Da in der Bundesrepublik entsprechende Recyclingkapazitäten fehlen, exportiert die DSD laut Wolfram Brück das Gros der eingesammelten Verpackungen „nach Holland, Österreich, in die Schweiz, nach Belgien und China“. Was dort mit dem Deutschen Wohlstandsmüll passiert, ist aber kaum kontrollierbar. Marco Carini

Das ARD-Magazin Panorama sendet heute abend einen Film über deutsche Plastikexporte nach Indonesien

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen