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Nachrichtenradio 101 steckt in der Krise

■ Millionenverluste: Hauptgesellschafter „Tagesspiegel“ und RSH erwägen Ausstieg/ Programm hat ungewisse Zukunft

Berlin. Info 101, Deutschlands erstes lokales Nachrichtenradio, steckt in der Krise. 16 Monate nach dem Start des Berliner Privatsenders erwägen die Hauptgesellschafter, Tagesspiegel und Radio Schleswig-Holstein (je 40 Prozent), aus dem elektronischen Nachrichtengeschäft auszusteigen. Mehr als zehn Millionen Mark Verlust soll das Privatfunkexperiment („Nachrichten, wann immer Sie wollen“) eingefahren haben. Auf einer Betriebsversammlung räumte RSH-Geschäftsführer Harald Pehle „Fehler im Management“ ein. Zum einen hatte Inforadio lange Zeit keine effektive Geschäftsführung, zum anderen haperte es bei der Vermarktung.

Trotz des Managementdefizits konnte Info 101 in der Hörergunst aufholen. Mit 8,1 Prozent (Hörer Gesamtberlin) setzte sich die Crew um Chefredakteurin Susanne Matthiessen gegen Konkurrenten wie SFB2 oder Energy durch. Doch die steigende Hörerakzeptanz wurde nicht in klingende Münze umgesetzt. Monat für Monat häuften sich die Verluste an. Bereits Anfang des Jahres tauchten die ersten Verkaufs- bzw. Liquidationsgerüchte auf. Dabei wußten die Gesellschafter von Anfang an, was auf sie zukommt. „Erfahrungen aus den USA mit dieser Sendespezies zeigen, daß ein Zeitraum von drei bis sechs Jahren kalkuliert werden muß, bis das Konzept finanzielle Früchte trägt“, schrieb im November 1991 der Tagesspiegel, der sich nun schon nach knapp anderthalb Jahren still verabschieden möchte.

Treibender Ausstiegsmotor soll der Stuttgarter Holtzbrinck-Konzern sein, der sich im vergangenen Jahr beim traditionsreichen, aber in die Krise geratenen Tagesspiegel eingekauft hat. Inforadio war dabei nur eine Zugabe. Daraufhin hat auch RSH, dem seit dem Sendestart eines zweiten Privatsenders in Schleswig-Holstein selbst ein rauher Wind entgegenweht, kalte Füße bekommen. Die beiden Minderheitengesellschafter Süddeutsche Zeitung und Frankfurter Allgemeine Zeitung (je zehn Prozent) halten zwar am Projekt fest, sehen sich jedoch nicht in der Lage, den Sender allein weiterzuführen. Zu neuen potentiellen Gesellschaftern zählen der Nachrichtensender n-tv sowie RTL.

Nach einer Krisensitzung der Gesellschafter am vergangenen Mittwoch wurde der sechzigköpfigen Belegschaft versichert, daß es weitergehe. Unklar blieb nur, wie. Es kursierten Sparmodelle, die von einer partiellen Programmübernahme anderer Sender bis hin zum Abspielen von Musikkonserven reichen. Trotz der ungeklärten Situation halten die Mitarbeiter an ihrem Sender fest. „Inforadio ist eine so einmalige innovative Sache, die stellt man nicht einfach ein“, hofft eine Redakteurin. Innerhalb kürzester Zeit wollen die Gesellschafter, so wurde den Mitarbeitern versichert, zum Abschluß der Verkaufsverhandlungen kommen. Ob und in welchem Umfang Tagesspiegel und RSH im Boot bleiben, scheint noch unklar. Sicher ist nur, daß es zu einer umfangreichen Personalreduzierung kommen wird. Klar ist auch, daß der Medienrat Verkauf und Konzeptänderung zustimmen muß.

Würde Inforadio eingestellt, wäre dies ein Alarmsignal für alle Radiomacher, die davon ausgehen, daß „der Sparte“, dem Spezialprogramm, die Zukunft gehört. Obwohl der Werbemarkt Berlin/ Brandenburg als einer der zukunftsträchtigsten gilt, ist er schon jetzt für neun werbefinanzierte Programme zu klein. Angesichts zahlreicher neuer ausgeschriebener Hörfunkfrequenzen stehen so manchen Privatfunkern die Schweißperlen auf der Stirn. Ilona Marenbach

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