: Anhaltende Querelen um Awacs
■ Waigel attackiert Kinkel: Soldaten dürfen nicht „feige“ aus Flugzeugen aussteigen/ SPD: „Tollhaus“/ Justizministerin soll gehen
Bonn (dpa) – Die Querelen um eine deutsche Beteiligung bei einer möglichen UNO-Aktion zur Durchsetzung des Flugverbots über Bosnien gingen auch nach dem Kompromiß der Bonner Regierungskoalition am Wochenende weiter. CSU-Chef Theo Waigel griff auf dem kleinen CSU-Parteitag in Bad Kissingen seinen Kabinettskollegen, Außenminister Klaus Kinkel (FDP), scharf an: Ein Außenminister, der die Teilnahme deutscher Soldaten an Awacs-Aufklärungsflügen verhindere, werde dem deutschen Interesse nicht gerecht, erklärte Waigel. Die Bundesrepublik dürfe „auf der Bühne der Weltpolitik nicht länger in der Rolle des Zuschauers verharren“. Es könne nicht sein, daß deutsche Soldaten bei einem Bosnieneinsatz die Awacs-Flugzeuge „feige verlassen“.
Kinkel meinte, die FDP sei bei der Vereinbarung in der Koalition bereits „bis an die Schmerzgrenze“ gegangen. Sie habe vor der Wahl gestanden, sich entweder zu verständigen oder die Koalition wäre ernsthaft in Gefahr gewesen.
Falls der UNO-Sicherheitsrat eine militärische Durchsetzung des Flugverbots über Bosnien beschließen sollte, will sich das Bonner Kabinett nach der Vereinbarung der Koalition mit den Stimmen der Unionsminister für einen Verbleib deutscher Besatzungen in Awacs-Flugzeugen aussprechen.
Die FDP will gegen dieses Votum in Karlsruhe klagen. Politiker der SPD bekräftigten ihre Kritik gegen dieses Verfahren in mehreren Interviews am Wochenende. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Peter Struck, legte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger (FDP) den Rücktritt nahe. In Sonntagszeitungen nannte Struck es einen „Treppenwitz“, wenn die Justizministerin als Vertreter der beklagten Bundesregierung vor dem Verfassungsgericht auftrete, deren eigene Fraktion die Klage vertrete. Der SPD- Ehrenvorsitzende Hans-Jochen Vogel sprach von einem „Stück aus dem Tollhaus“.
Der Vorsitzende der CDU/ CSU-Fraktion, Wolfgang Schäuble, räumte im Deutschlandfunk ein, die Gefahr bestehe, daß die Bürger den Eindruck gewönnen, die Politik schiebe Entscheidungen auf das Verfassungsgericht ab.
Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Michael Glos, meinte in der „Berliner Morgenpost“, die Bonner Koalition könne sich eine „Zerreißprobe“ wie im Awacs-Streit nicht häufig leisten. Der frühere Wirtschaftsminister Jürgen Möllemann (FDP) bezeichnete es als Armutszeugnis und grotesk, daß nach der Vereinbarung der Koalition der Vizekanzler den Bundeskanzler verklagen muß.
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