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Noch kein Ort des Nachdenkens

Fragen nach Konzept und zukünftiger Ausrichtung bestimmen auch das Resümee der jetzt zuende gegangenen  ■ MEDIALE

Nach dem offiziellen Ende der Mediale sind die Buchhalter der Kulturinstitutionen am Zuge: überall werden die Zahlen gesichtet und eine Aussage über die regelmäßige Wiederholung der Großveranstaltung ist frühestens in ein paar Wochen zu erwarten. Selbst bei Abstrichen an allzu jubelnden Mitteilungen ist sicher, daß der Besucherandrang in Zigtausenden gezählt werden muß und damit größer als erwartet war.

Geboten wurde vieles, wobei die Qualität nach sehr unterschiedlichen Ansprüchen bemessen wurde. Es gibt im Bereich der neuen Medien eine bemerkenswerte Unsicherheit des ästhetischen Urteils. Von fast suchthaftem, kindlichem Interesse an neuem blinkenden, glitzernden und piependem elektronischen Spielzeug, über die demiurgenhafte Bemächtigung von Welt, Raum und Zeit zur medialen Präsentation einer sozial- und kulturkritischen Haltung zeigt sich eine Breite von Möglichkeiten, die in den traditionelleren Arbeitsfeldern der Kunst streng getrennt bleibt.

Manches, wie die Licht-Pyramide über der Alster mit dazugehörigen Parties im Fernsehturm ließ nicht nur jeden inhaltlichen Sinn vermissen, es funktionierte auch technisch nicht, anderes war zwar perfekt inszeniert, kam aber über die bloße Demonstration seiner selbst nicht hinaus. Einigen Konzepten, wie der Klangachse, fehlte auch in diesem Rahmen noch genügend Geld, um wirklich zu überzeugen. Doch mit den theoretischen Symposien im Literaturhaus und der Hereinnahme expliziter Antihaltungen wie Jon Kesslers Maschinchen im Kunstverein, den Windfahnen von Eduard Micus auf der Alster und Gespensterbeschwörungen von Lili Fischer im Keller, war die Mediale mit immerhin über fünfzig Veranstaltungen gewiß eine Bereicherung des Hamburger Kulturlebens.

Die Aussteller der parallelen Medien-Messe haben sich bereits zufrieden geäußert. Die heftig vorgetragene Kritik an der Vermischung von Kunst und Kommerz scheint in deren Sicht eher für Interesse gesorgt zu haben. Thomas Wegner, der Initiator des Ganzen, kann ohnehin bis heute die Kritik der Künstler und Kritiker nicht verstehen und präsidiert gleichbleibend freundlich Kunst, Kommerz und Peinlichkeiten wie dem Lied für Europa. Mit dem preisgünstig und in ungewohnt hoher Auflage verbreiteten Katalogmagazin dürfte durch dessen ungebrochene Identität von Werbung und Kultur ein Meilenstein in der zukünftigen Diskussion über Sponsoring erzeugt worden sein.

Was wird noch von allem bleiben? Die sieben blauen Signalmaate sind verkauft und werden weiterhin irgendwo herumstehen, das Stahltor von der Binnenalster ist noch

1zu haben und auch Feuerkanu und Goldengel aus der wichtigtuerischen Inszenierung von Robert Wilson sind käuflich zu erwerben. Wichtiger als diese materielle Resteverwertung ist die Frage nach dem Konzept, ohne dessen Klärung

1eine zukünftige Institutionalisierung der Mediale nicht auskommt. Vielleicht gelingt es ja doch, Hamburg zu einem Ort des Nachdenkens über die Kulturmedien desnächsten Jahrtausends zu machen. Hajo Schiff

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