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Ein hilfloser Senat vor der Wohnungskrise ...

■ Breitwandbündnis der Wirtschaft kritisiert Stadtentwicklungspolitik des Senats / Konzertierte Aktion gegen Wohnungskrise?

gegen Wohnungskrise?

Hamburgs Wohnungsnot hat dramatische Züge angenommen. Die Situation wird sich in den kommenden Jahren noch erheblich verschärfen, selbst wenn die Stadt ihre expansiven Wohnungsbauprogramme in die Tat umsetzt. Kurz, so gestern ein Aktions-Bündnis von Handelskammer, Handwerkskammer, Bauindustrie, Architektenkammer und Wohnungsbaugenossenschaften: „Der akute Wohnungsmangel bedroht den sozialen Frieden und hemmt die wirtschaftliche Entwicklung unserer Stadt.“ Überfällig sei eine „zupackende Stadtentwicklungspolitik“. Statt dessen präsentiere der Senat eine Mixtur aus einfallsloser Wurstelei und trägem Bürokratismus, Probleme würden nicht bewältigt, die einmaligen Chancen Hamburgs nach der Einheit und der Öffnung Osteuropas nicht genutzt. Die überfällige Verwaltungsreform stehe noch immer in den Sternen.

Was ein arbeitslos gewordener Facharbeiter macht, wenn ihn der totale Politikfrust überfällt, wissen wir heute recht genau. Was aber machen Spitzenorganisationen der Hamburger Wirtschaft, wenn sie schier an der Politik verzweifeln? Einen heben gehen, Reps wählen oder still schmollen? Weder noch. Großlobbys dieses Formats sind schließlich großgeworden, weil sie selbst Politik machen, Dinge bewegen. Gewöhnlich reicht da der Griff zum Telefonhörer — das Rathaus nimmt ab und lauscht ergriffen.

Der gestrige Schritt, als Bündnis (Sensation 1) und mit einer bitterbösen Senatskritik an die Öffentlichkeit zu gehen (Sensation 2), war schon von der Form her ein mittleres politisches Erdbeben. Das Lobbybündnis selbst sprach bescheiden von einer „ungewöhnlichen Aktion“, für Abendblatt-Redakteur Ernst-Gerhard Scholz war es anschließend beim Journalisten-Brainstorming in kleiner Runde gar „die schallendste Ohrfeige, die dieser Senat jemals erhalten hat“.

In seinem 10seitigen Positionspapier listet das Bündnis moderat in der Form, aber hart in der Sache die Unterlassungen der Hamburger Politik auf. Zwar sei die Lage objektiv schwierig, fehle es durchaus an Flächen und Geld, um die Wohnungsnot schnell und wirksam zu lindern. Gerade in dieser Situation aber zeige sich die Qualität von Politik. Kreativität, Effizienz seien gefragt: Billigeres Bauen, neue Formen der Finanzierung, Modellprojekte und schnelles energisches Handeln. Das alles müsse in einer integrierten und vernetzten Stadtentwicklungskonzeption zusammengefaßt sein. Hamburgs Grüne spendeten gestern diesen Vorschlägen spontan Beifall. Allein die Baubehörde reagierte sauer: „Die genannten Vorschläge sind alle nicht neu.“

Kein Wunder, daß die Journaille das Bündnis fragte, ob es glaube, dieser Senat sei willens und in der Lage, eine bessere Politik zu machen? Bündnissprecher Uwe Blöcker vom Verband der Norddeutschen Wohnungsunternehmen trocken: „Wir haben keinen anderen Senat.“ Handwerkskammerchef Jürgen Hogefoster setzte noch eins oben drauf: „Die Stadtentwicklung ist viel zu wichtig, als daß wir sie allein der Politik überlassen.“ Und Ullrich Schwarz von der Hamburgischen Architektenkammer mit leicht drohendem Unterton: „Wir haben keine Petition überreicht. Wir sind keine Bittsteller. Wir haben der Stadt ein Angebot zur Zusammenarbeit gemacht. Sie ist gut beraten, wenn sie diese Chance nutzt.“ Florian Marten

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