piwik no script img

■ Press-SchlagDie Kapriolen des Don Bernardo

Auch mit 33 Jahren ist Bernd Schuster ganz der alte geblieben. Ein spektakulärer Eiertanz stand am Anfang seiner Karriere, als er gleichzeitig Verträge beim 1. FC Köln und bei Borussia Mönchengladbach unterschrieb. Dann provozierte der genialste deutsche Fußballer seit Beckenbauer mit glatter Arbeitsverweigerung auf dem Spielfeld seinen Wechsel von Köln nach Barcelona, flüchtete aus der Nationalmannschaft, strengte beim FC Barcelona, der ihn verkaufen wollte, einen aufsehenerregenden Arbeitsgerichtsprozeß an und ging daraufhin mit Pauken und Trompeten erst zu Real, dann zu Atletico Madrid. „Don Bernardo“ wurde so zum ersten Spieler, der mit jedem der drei Großen des spanischen Fußballs Titel gewann, bis dahin undenkbar, weil diese Klubs und ihre Anhänger tief verfeindet sind.

Kein Wunder, daß auch das Ende seiner Karriere von Querelen, Kehrtwendungen und Mysterien begleitet ist. Gerade hatte er den Angriff des Argentiniers Villareal auf seine Mittelfeldposition mit bewährter Sturheit abgewehrt und noch am Montag öffentlich beteuert, er denke nicht ans Aufhören, wolle seine Karriere gern bei Atletico Madrid beenden, und mit dem Vereinspräsidenten Jesús Gil y Gil gäbe es nicht die mindesten Probleme, da kam der plötzliche Umschwung.

In einem Interview kritisierte er Gil, der einen Trainer nach dem anderen feuert und künftige Bewerber mit einem Katalog von zehn Geboten malträtieren will, mit ätzender Schärfe und warf ihm vor, alles verkehrt zu machen. „Ich kenne dieses Ehepaar gut“, sagte Gil daraufhin in Hinblick auf Bernd und Gaby Schuster, „und ich weiß, wenn Schuster spricht oder eine gelbe Karte zuviel kassiert, dann ist das wohlbedacht.“ Im letzten Spiel gegen Rayo Vallecano war der Deutsche in der 52. Minute nach zwei Verwarnungen vom Platz geflogen. „Ich weiß, was er will, und ich akzeptiere es: von hier aus sage ich, es sei dir gewährt.“

Dies wiederum bestätigt die Einschätzung Schusters, der bezüglich Gil erklärt hatte: „Wir haben keine Probleme, weil wir denselben Charakter haben. Wir müssen sehr wenige Dinge besprechen. Es ist nicht nötig, daß wir uns stundenlang hinsetzen und über ich weiß nicht was jammern.“

Was Schuster will, sagte er am nächsten Tag selbst: die Auflösung seines bis 1994 laufenden Vertrages zum 30. Juni 1993. Über die Gründe des plötzlichen Sinneswandels und seine Zukunftspläne wollte der maulfaule Augsburger, seit Jahren in der religiösen Sekte „Christian Science“ aktiv, schon keine Auskunft mehr geben, doch scheide er nicht im Zorn, sondern „zufrieden und glücklich“. Jesús Gil war weniger glücklich. „Ich habe ihm alles gestattet“, klagte er, „sogar die Praktizierung der ciencilogía, und er hat mich mit einem Faustschlag zu Boden geschickt.“ Matti

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen