: Anders als die anderen
■ Hommage an Conrad Veidt im Schwulen Museum
Auf der Galerie der deutschen Stars hat er nur ein Plätzchen in den hintersten Regalen, geschätzt vor allem in Cineastenkreisen. Dabei kennt ihn, zumindest in einer Rolle, fast jeder: Als eiskalter Nazi-Major Strasser machte er mit fischigem Blick und schnarrendem Akzent Bogey und Bergman in „Casablanca“ das Leben schwer. Es war Conrad Veidts letzter Filmauftritt. – „Veidt ist der Repräsentant des Menschen, der in seiner Seele Gut und Böse trägt. Und weder Gut noch Böse siegen – der latente Zustand des Aufgerütteltseins bleibt in all seinen Rollen unentschieden“, schrieb Paul Ickes 1927 in einem Aufsatz über den Mimen. Diese Uneindeutigkeit, verkörpert in großen, leicht dämonischen Augen und expressiver Körpersprache, machten den 1893 geborenen Schauspieler nach kurzer Karriere auf Max Reinhardts Berliner Bühnen zum idealen Darsteller des expressionistischen Kinos, in dem er ab 1916 arbeitete. Nachdem Veidt als somnambules Mörder-Medium Cesare in Robert Wines „Das Cabinet des Dr. Caligari“ (1919) reüssiert hatte, war sein Typ für den Rest der Ära festgelegt: Satanische Gestalten und Schurken von Galeen („Der Student von Prag“, 1924) bis Murnau („Der Januskopf“, 1920).
Zu seinem hundertsten Geburtstag findet derzeit im Schwulen Museum eine Hommage an den Matador der dämonischen Leinwand statt. Zentrum der Ausstellung, die Wolfgang Theis, der Leiter des Bildarchivs der Stiftung Deutsche Kinemathek zusammenstellte, ist allerdings ein anderer Conrad Veidt: In der zweiten Hälfte der zehner Jahre drehte der Regisseur Richard Oswald eine Reihe von äußerst erfolgreichen „Sitten- und Aufklärungsfilmen“ mit so bezeichnenden Titeln wie „Es werde Licht!“ oder „Die Prostitution“. In dieser Serie entstand auch der erste Film über Homosexualität, der jemals das Licht der Kinoleinwand erblickte: „Anders als die anderen“ (1919). Veidt stellt darin einen schwulen Geigenvirtuosen dar, der durch Erpressung in den Selbstmord getrieben wird – ein Schicksal, das für die (wenigen) schwulen Charaktere in der Weltfilmproduktion der nächsten 50 Jahre exemplarisch werden sollte. Der Nestor der Sexualwissenschaft, Magnus Hirschfeld persönlich, hält am Schluß bei der Beerdigung eine flammende Zwischentitelrede für das „dritte Geschlecht“ und die Abschaffung des Paragraphen 175.
Der Film galt lange Zeit als verschollen. Erst 1979 wurde eine Kopie in einem ukrainischen Archiv entdeckt. Das knapp dreißigminütige Fragment (mit kyrillischen Zwischentiteln) ist der (Video)- Mittelpunkt der Ausstellung, die sich in Sachen Vereinnahmung allerdings zurückhält. Anita Loos, die den schönen Conrad anläßlich eines Berlin-Besuchs in den zwanziger Jahren als „the prettiest girl in the street“ bezeichnete, wird zwar genauso zitiert wie Christopher Isherwoods Beschreibung eines Tuntenballs, bei dem Veidt an einem erhöhten Tisch Hof hielt. Familienfotos mit Tochter des dreimal Verheirateten hängen jedoch gleichwohl aus. Der Privatmann interessiert sowieso nur am Rande. Unterbrochen durch (allzu) wenige erklärende Schrifttafeln wird mit Szenenfotos, Plakaten und Programmzetteln Veidts Arbeitsweg nachgezeichnet. Nach einem kurzen Gastspiel in Hollywood zog ihn der beginnende Tonfilm Ende der zwanziger Jahre wieder zurück nach Deutschland, allerdings nur kurz. Sein Auftritt als „Jew Süss“ in dem gleichnamigen, prosemitischen Film von Lothar Mendes (England, 1934) und seine jüdische Ehefrau erzwangen bald die Auswanderung. Nach sieben erfolgreichen Jahren in England, wo er unter anderem in Alexander Kordas „Der Dieb von Bagdad“ (1940) mitspielte, übersiedelte er 1940 nach Hollywood. Dort teilte er das Schicksal vieler emigrierter Kollegen. Er mußte die spielen, vor denen er geflohen war: Nazis und Mörder. Heute vor 50 Jahren starb Conrad Veidt – ganz so, wie es sich für einen Star gehört: Durch Herzschlag auf dem Golfrasen, den Schläger in der Hand. Gerd Hartmann
Hommage an Conrad Veidt: bis 2.5. im Schwulen Museum, Mehringdamm 61, Mi.–So. 14–18 Uhr.
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