: Millionengrab in Schönberg
Landesrechnungshof sieht 100 Millionen Schaden/ Ex-Umweltministerin Uhlmann (CDU) und der FDP-Politiker Kubicki sollen persönlich haften ■ Von Marco Carini
Hamburg (taz) – Eine vernichtende Kritik an den Verträgen zwischen Mecklenburg-Vorpommern und den Betreibern der Mülldeponie Schönberg übte gestern der Präsident des zuständigen Landesrechnungshofs, Uwe Tannenberg. Durch die „Knebelverträge“ sei seinem Bundesland ein Schaden von 100 Millionen Mark entstanden. Tannenberg warf der Landesregierung vor, ohne Not das volle Altlasten-Risiko von der Treuhand übernommen zu haben, während die Gewinne in private Taschen fließen würden. Tannenberg weiter: „Die Deponie wird offenbar nicht vom Land, sondern von einem unkontrollierbaren Müll- Kartell kontrolliert.“
Die landeseigene „Gesellschaft für Abfallwirtschaft und Altlasten“ hatte Anfang Juli 1992 für einen Kaufpreis von 10 Millionen Mark die Mülldeponie von der Treuhand übernommen und den Betrieb der Deponie anschließend ohne Ausschreibung an die private „Deponie Management GmbH“ (DMG) verpachtet. Diese gehört zu 50 Prozent dem Lübecker Müllhändler Adolf Hilmer. Während das Land für die etwa 400 Millionen Mark teure Sanierung von Europas größter Abfallkippe verantwortlich ist, fließen die Erlöse aus dem Deponiebetrieb zum überwiegenden Teil der DMG zu.
Diese Konstellation ist für den Präses des Landesrechnungshofs Mecklenburg-Vorpommern das Ergebnis einer „miserablen Verhandlungsführung“ des mecklenburgischen Umweltministeriums, bei der „die Regeln ordentlichen kaufmännischen Verhaltens verletzt worden“ seien. Tannenberg forderte die Landesregierung auf, die Schönberg-Verträge entweder „rückabzuwickeln“ oder in Nachverhandlungen mit der Treuhand und der DMG „erhebliche wirtschaftliche Verbesserungen für das Land durchzusetzen“. Außerdem müßten Regreßansprüche gegen die am Mittwoch zurückgetretene Umweltministerin Petra Uhlmann (CDU) und ihren am gleichen Tag entlassenen Staatssekrätär Peter- Uwe Conrad geprüft werden. Der Rechnungshof-Präsident deutete an, daß er bei seiner seit Oktober 1992 laufenden Prüfung der Schönberg-Verträge vom Umweltministerium behindert worden sei: „Die Aktenlage, die wir hier vorgefunden haben war katastrophal, noch heute werden uns täglich neue Einzelheiten bekannt.“
In die Schußlinie des Landesrechnungshofes ist auch der schleswig-holsteinische FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki geraten. Uhlmann und Conrad hatten den Kieler Juristen für rund 860.000 Mark angeheuert, um sich von ihm beim Erwerb der Deponie beraten zu lassen. In der Stellungnahme des Landesrechnungshofs heißt es dazu: „Diese Ausgabe hätte durch den Einsatz von Mitarbeitern des Landes, insbesondere solchen des Finanzministeriums, eingespart werden können.“ Tannenberg forderte die Landesregierung auf, zu prüfen, ob auch gegen den FDP- Landesvorsitzenden Regreßansprüche erhoben werden können.
Ins Zwielicht gerät die teure Beratung des Umweltministeriums auch durch die Behauptung des Spiegels, Kubicki teile mit dem Vertragsgewinner Adolf Hilmer nicht nur das Parteibuch; seine Kieler Anwaltskanzlei sei auch für Hilmer tätig geworden. Nach Informationen des Hamburger Nachrichtenmagazins beauftragte Hilmer die Kanzlei des Parteifreundes damit, seine Firmengruppe gegenüber dem Berliner Bundeskartellamt zu vertreten, das ein neues Monopol im Müllgeschäft befürchtet. „Eine völlige Falschinformation“, erklärte Kubicki gestern gegenüber der taz, „ich habe keine der Hilmer-Firmen jemals juristisch vertreten.“ Merkwürdig nur: Obwohl der Spiegel bereits im vergangenen Herbst über die angeblichen geschäftlichen Verbindungen zwischen Hilmer und Kubicki berichtete, folgte weder von Hilmer noch von Kubicki ein Dementi. Der Spiegel jedenfalls teilte der taz gestern unmißverständlich mit: „Wir bleiben bei unserer Darstellung.“ Marco Carini
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