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Bin gleich wieder zurück! Von Ralf Sotscheck

Selbst der berüchtigte englische Humor kennt ein paar Tabus. Das Königshaus gehört freilich nicht mehr dazu, wohl aber das Grand National. Das ist das berühmteste Pferderennen der Welt. Berühmt ist es vor allem deshalb, weil die Rennbahn in Aintree in der Vergangenheit oft zum Schlachthaus wurde: Pferde, die an den schweren Hindernissen stürzten und sich Knochenbrüche zuzogen, erhielten den Gnadenschuß. Den Jockeys ist dieses Schicksal bisher erspart geblieben, obwohl das zweifellos den Nervenkitzel bei den 300 Millionen Zuschauern in der ganzen Welt erheblich steigern würde.

Natürlich gibt es auch immer wieder Quislinge, die gegen das sportliche Gemetzel protestieren. Auch vorgestern besetzte eine Handvoll militanter Tierschützer die Rennbahn und mußte erst mal beiseite geräumt werden, bevor das Rennen mit Verspätung beginnen konnte. Gnädigerweise ersparte das britische Fernsehen den Zuschauern die brutalen Bilder von den DemonstrantInnen, die mit ihren aggressiven Transparenten die wehrlosen Pferde erschreckten. Was dann folgte, hätten sich die feixenden TierschützerInnen vorher vermutlich nicht träumen lassen. Als nämlich der Startschuß fiel, blieb das Startband, das eigentlich automatisch nach oben schnellen sollte, auf halber Höhe stecken – Fehlstart. Beim zweiten Versuch eine Viertelstunde später passierte genau dasselbe. Diesmal vergaß der Funktionär am ersten Hindernis jedoch, das Rennen abzuwinken, so daß 31 Gäule loswetzten und sich auch durch die Buhrufe der ZuschauerInnen nicht beirren ließen. Lediglich neun Pferde samt Jockeys blieben zurück – nicht alle jedoch freiwillig. Der Favorit Richard Dunwoody, dessen Pferd zu Recht „Won't Be Gone Long“ (Bin gleich wieder zurück) heißt, sagte: „Ich kam vom Start nicht weg, weil sich das Startband um meinen Hals gewickelt hatte und mich würgte.“ Aus Solidarität blieb das Pferd ebenfalls stehen.

Sieben Gäule schafften es nach über sieben Kilometern bis ins Ziel, während die übrigen fehlgestarteten Tiere an den 30 Hindernissen wie die Fliegen fielen. Das Rennen wurde für null und nichtig erklärt, die Wetteinsätze in Höhe von 75 Millionen Pfund müssen zurückgezahlt werden. Der irische Jockey John White hatte auf dem Außenseiter „Esha Ness“ die Ziellinie als erster überquert. Sein kurzer Freudenausbruch ging nahtlos in einen Weinkrampf über, als er merkte, daß sein Finish genauso furios wie unnütz gewesen war. Er sagte, er hätte die auf der Rennbahn herumirrenden Funktionäre für dreckige DemonstrantInnen gehalten und konsequent ignoriert.

John Upson, der Trainer des Mitfavoriten „Zeta's Lad“, bekam vor laufender Kamera einen Wutanfall: „Ich habe ein Jahr lang Blut geschwitzt, um das Pferd für diesen Tag in Form zu bringen.“ Ist er etwa immer neben dem Gaul hergerannt? Leichtsinnigerweise fügte er hinzu: „Diese Farce wäre nicht mal in dem rückständigen, winzigen Irland passiert.“ Zwar formulierten die englischen Sonntagszeitungen in ihren irischen Ausgaben diesen Satz pietätvoll um, aber auf der Grünen Insel wetzt man schon das Messer: Upson kommt nächste Woche zum irischen Grand National nach Dublin.

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