Steve Noble, Paul Rogers, Tony Bevan

Bigshots

(Incus Records CD 08)

Ende der siebziger Jahre hatte er den Fuß schon in der Tür zum Pop- Business. Steve Noble war der hochgelobte Drummer von Rip, Rig & Panic, der führenden Formation des damals neu aufkommenden Punk-Jazz, in der auch Neneh Cherrys Karriere ihren Ausgang nahm. Als die Band Anfang der Achtziger auseinanderging, sattelte Steve Noble noch eins drauf und wurde zum Totalaussteiger, der dem ganzen Showbetrieb den Rücken kehrte. Er fing noch einmal ganz klein und von vorne an, indem er zum Free Jazz konvertierte. Mit Unterstützung des Arbeitslosengeldes – „Englands solidester Künstlerförderung“, wie er einmal sarkastisch bemerkte – ging er über Jahre beim kauzigen Einzelgänger Derek Bailey in die Lehre, dem Altmeister der freiimprovisierten Musik in London. Steve Noble ging es nicht darum zu lernen, sondern zu verlernen. Aus dem Drummer wurde ein Schlagwerker, der weniger an Rhythmen als an perkussiven Klangfarben interessiert war. Noble hatte die vorgestanzten, überall und immer wieder reproduzierten Beats von Pop, Rock und Jazz einfach satt und unterzog sich einer Art Gehirnwäsche, um den Kopf für Abläufe spontanerer musikalischer Kommunikation freizubekommen.

Diese Formen der Interaktion sind auf Intimität und Überschaubarkeit angewiesen und funktionieren am besten im kleinen Kreis: im Duo – als Zwiegespräch – oder im Trio – als round-table talk. Das sind die Ensemblegrößen, mit denen Noble seither bevorzugt gearbeitet hat, wobei es ihm gelungen ist, dem Wort Free Jazz eine andere Konnotation zu geben als die einer speziellen Form musikalischer Onanie. Mit den Musikern seines Trios – dem Saxophonisten Tony Bevan und dem Bassisten Paul Rogers – trifft er sich nicht, um mit ihnen einfach draufloszuspielen, im Powerplay planlos ins Saxophon zu röhren, den Baß kreischen und das Schlagzeug donnern und scheppern zu lassen. Dem echten Zufall wird hier überraschend wenig überlassen. Ein hart erarbeitetes intuitives Verständnis und vorab verabredete Strukturmuster geben dem improvisatorischen Prozeß Richtung und Ziel. Von einer reichhaltigen Palette akustischen Materials aus werden in hochdisziplinierter Weise ausgefallene Sounds und Geräusche ineinanderverrieben. Die Überblastechniken des Saxophons und die Obertonschwingungen vom Baß fügen sich mit dem leisen Klirren und Zischen des Schlagzeugs zu feinen Klangfarbenkompositionen zusammen, die Steve Noble als einen der wichtigsten Musiker der jüngeren Generation der britischen Free Music ausweisen. Einen, der die Tradition von Leuten wie Lol Coxhill, Evan Parker oder Tony Oxley nicht nur einfach fort-, sondern auch musikalisch weiterführt.