: Von wegen Hasen!
■ Hessischer Osterbrauch: Faule Eier für den abgeblitzten Liebeswerber
Fast jedes Kind kennt den Hasen als Ostereierüberbringer, aber Volkskundler haben herausgefunden, daß nicht Mümmelmann allein das Eierbringen aufgebürdet wurde. Weit mehr verbreitet waren vom 17. bis 19. Jahrhundert als Eierbringer der Hahn, die Himmelshenne, der Storch, der Kuckuck und der Fuchs, der „Voßeier“ in Westfalen, Hannover und Friesland brachte. Rund 800 kunstvolle Exemplare dieses Symbols für Leben aus aller Welt sind bis zum 9. Mai im Museum in Winsen an der Luhe ausgestellt.
Die Vielfalt der Verzierungstechniken und die Kunstfertigkeit sind beeindruckend. So beweisen ungarische Schmiedegesellen ihren Meistern ihr Können mit beschlagenen Eiern. Die winzigen Hufeisen und Schmiedewerkzeuge werden zwar auf Holzeiern geformt, dann jedoch behutsam auf die angebohrten ausgeblasenen Hühnereier aufgesetzt. In Farbbäder getauchte und mit floralen Motiven ausgekratzte Eier kommen aus Österreich, mit Stroh-Applikationen beklebte Eier aus der Slowakei.
Mit der besonders aufwendigen Wachsbatik-Technik haben die Ukrainer ihre Ostereier verziehrt und die Hessen ihre mit Sprüche beschrieben. Der Museumsbesucher erfährt, daß die Scherenschnitte auf den polnischen Eiern mit einer Schafschurschere geschnitten wurden, und daß sich Binsenmark wie weiße Bänder zu wunderbaren Applikationen verwenden läßt.
Die Rolle, die das Ei im Fruchtbarkeitskult vieler Völker gespielt hat, zeigt sich an Bräuchen aus Finnland, wo der Sämann ein Ei in der Tasche trägt, wenn er die Saat ausstreut, oder das in Schottland auf den Boden des Korbes mit Saatgut gelegte Ei. Bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg verwendeten die Hessen das Ei als Liebesgabe. Die Sitte des „Letterns“ besagte, daß der junge Mann, der um die Liebe eines Mädchens warb, am zweiten Ostertag mit einer Flasche Schnaps am Fenster seiner Auserwählten erscheinen mußte. Sofern sie ihm gewogen war, bekam er zwölf hübsch verzierte Eier geschenkt. Andernfalls konnte es geschehen, daß ihm ein faules Ei nachgeworfen wurde.
Irritierend wirken allerdings weihnachtskugelähnliche Glaseier aus der Schweiz und Papierkännchen aus Polen, die auch am Weihnachtsbaum hängen.
Karin Ridegh-Hamburg/dpa
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