: Männersache an der Weser
■ Teerhofbrücke eingeschwommen / Technik schlägt Politik / Euronorm schlägt Haushalt
Viel Streit und Energie hat sie gekostet, seit gestern ist sie da: Die neue Weserbrücke zwischen Teerhof und City. 430 Tonnen Stahl wurden am Morgen vom Vulkan bis zur Innenstadt geschifft und in mühsamer Arbeit verankert. Noch vor der angekündigten Zeit passierte das schwimmbadgrüne Ungetüm bei Niedrigwasser die Bgm- Smidt-Brücke, und als rund sechs Stunden später der Wasserstand am höchsten war, senkten sich 117 Meter Brücke langsam auf den Strompfeiler und die Widerlager am Stadtufer und auf der Teerhofinsel. Zwanzig nach zwei war alles an seinem vorberechneten Platz. Im Juli werden allen Arbeiten beendet und die Brücke für die Fußgänger und Radfahrer freigegeben sein. Die Weser war bis in den späten Abend für die Schiffahrt gesperrt, Umleitungsempfehlungen konnte die Wasser- und Schiffahrtsdirektion keine geben.
Den ganzen Tag säumten Schaulustige das Ufer an der Schlachte. Eines wurde dabei sonnenklar: Brückenbau ist Männersache! Daß sich kaum eine Frau auf die Baustelle oder die Pontons mit der Brücke verirrten, das war zu erwarten, aber auch bei den Zaungästen waren vor allem Männer auszumachen. Mit vorgerecktem Kinn und Kennermiene wurden gewichtige Sätze ausgetauscht wie: „Das muß noch mindestens drei Meter höher gehen“ und „Das ist ja alles Millimeterarbeit.“ Die Bremer, ein einig Volk von Brückenbauern.
So schlug die Begeisterung über die Technik eindeutig die Politik. Nur schwer waren die versammelten Männer der Faszination zu entreißen: Da war doch noch was? Streit vielleicht? Ach ja, dann aber, erstmal im Fahrwasser des Schimpfens, legten die meisten auch los und waren kaum wieder zu bremsen: „So ein Scheiß, dafür haben sie Geld, sonst sparen sie an allen Ecken.“ Und ein anderer: „Für die Reichen auf dem Teerhof geben sie's aus, unsereins kann sich das nicht leisten.“
Der Bremer, ein Grantler? Wenn die These des Baustaatsrats Jürgen Lüthge stimmt, dann wird sich die Aufregung um die Brücke spätestens im Sommer gelegt haben. Dann nämlich ist sie mit Treppen und allem drum und dran fertig. Lüthge bei einer kleinen Pressekonferenz: „Die Bremer schimpfen, solange was im Bau ist, wenns fertig ist, freuen sich dann alle.“
„Ein technisches Großereignis“, lobte der Senatspressedienst. Das konnte jedermann auch sehen: Stunden dauerte es, die Pontons so zu verankern, daß die Brücke längs gehalten und dann bei Hochwasser gedreht werden konnte. Über Stunden schufteten die Arbeiter, Zentimeter um Zentimeter wurde die Brücke angehoben, mit Trägern gesichert, wieder angehoben, wieder gesichert. Und als sie millimetergenau dort einschwebte, wo sie auch hinsollte, da gab es nicht mal Applaus von den Bremer Technikfreaks.
Nun liegt die Brücke da, und wunderbarerweise wurden sowohl der Zeitplan als auch das Budget des Bauprojekts weitgehend eingehalten. Rund elf Millionen kostet die Brücke, inclusive Behindertenfahrstühle und der 350.000 Mark Abfindung für den Wirt des Restaurantschiffs „Welle“ — für die Verschiebung von 20 Metern. Die Fahrstühle mußten sein, weil die Brücke so hoch ist, und sie ist so hoch, weil möglicherweise irgendwann einmal Schiffe der Euronorm darunter durchpassen müssen. Möglicherweise aber auch nicht, denn beide Brücken rechts und links sind viel niedriger. Aber Vorschrift ist Vorschrift. Lüthge: „Die Wasser-und Schiffahrtsdirektion hat ganz futuristische Gedankengänge.“ Und an den riesigen Euronormschiffen orientiert sich auch eine zweite Vorschrift, die die Brücke nochmal teurer gemacht hat, aber auch haltbarer: Die Schiffsaufprallast ist reichlich berechnet. Das Kollisionsschiff kann noch so groß sein: Keine Angst, Sie kommen trockenen Fußes an. J.G.
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