: Kein Frieden in der Krajina
Kaum ist die Tinte der Unterschrift unter das Waffenstillstandsabkommen für die Krajina-Region in Kroatien getrocknet, schießen serbische Einheiten wieder ■ Aus Zadar Erich Rathfelder
Die Explosion war in der gesamten Stadt zu hören. Kaum nachdem sich am Donnerstag um 15.55 Uhr der Staub um die Einschlagstelle wieder lichtete, heulten die Alarmsirenen in der Adriastadt Zadar auf. Doch die meisten Leute ignorierten die Gefahr. Autos und Busse rollten wie gewohnt durch die Straßen.
„Seit fast zwei Jahren leben wir nun mit dieser Gefahr. Man stumpft ab, hofft nur, daß man selbst nicht erwischt wird, wenn die Granaten fallen,“ sagt Damir Keretic, der, nachdem er trotz abgeschlossenen Studiums der Informatik keinen Job bekommt, sich als Kellner durchschlägt. Die Bar liegt kaum 100 Meter von der Einschlagstelle entfernt. Und die Gäste nippeln weiter an ihrem Bier, als sei fast nichts geschehen. Tatsächlich wurde niemand verletzt.
Sauer sind sie höchstens über ihre eigene Regierung. „Ich weiß nicht, welcher Teufel die geritten hat, so ein Abkommen zu unterzeichnen“, erklärt ein Kroate, der immer noch nicht fassen kann, daß die kroatischen Streitkräfte sich wieder aus dem Hinterland der Stadt zurückziehen sollen. Gemäß des Abkommens, das am 6. April in Genf von Kroatiens Regierung, den Krajina-Serben und UNO- Vermittler Lord Owen unterzeichnet wurde, sollen sich nämlich die kroatischen Streitkräfte wieder auf die Stellungen zurückziehen, die vor dem Gegenangriff im Januar 1993 von ihnen eingenommen wurden. Im Gegenzug soll die serbische Seite die schweren Waffen, also auch die Artillerie, der UNO- Kontrolle unterstellen. „Wir haben gekämpft, um die sechs kroatischen Dörfer zurückzubekommen, dafür sind Leute gestorben“, meint der Kroate. „Wenn die serbischen Streitkräfte zurückkommen, stehen sie 100 Meter von der Stadtgrenze entfernt.“
Die Angst, dann wieder im Bereich der serbischen Artillerie zu stehen, ist auch bei Familie Beletic augenscheinlich. Ihr Haus liegt in dem Gebiet, das vor dem kroatischen Gegenangriff regelmäßig beschossen wurde. „Wir lebten in unserem Keller, die Kinder durften nur selten auf die Straße. Das war doch kein Leben,“ sagt der Familienvater. „Die UNO hat uns schon oft etwas versprochen, fast nichts wurde eingehalten. Ich will nicht serbische Posten da oben im Wäldchen sehen.“
Direkt an dem Wäldchen führt auch die Straße vorbei, die Kroatien jetzt noch zusammenhält. Auch der Polizist, der hier Dienst tut, kann sich nicht vorstellen, bald wieder einige Meter entfernt serbische Soldaten zu sehen. „Wie die Serben sich an Verträge halten, das haben wir oft genug zu spüren bekommen. Die haben doch sogar unter den Augen der UNO den Peruca-Staudamm vermint und wollten die Staumauer sprengen. Nein, das dürfen wir nicht zulassen.“ Das Radio berichtet derweil von unzähligen Dörfern, die gerade von serbischer Artillerie beschossen worden sind.
Belgrad (dpa) – Die kroatischen Serben haben bestritten, ein Abkommen zur Beilegung des Krajina-Konflikts unterschrieben zu haben. „Unsere Delegation hat am Dienstag in Genf nur die Verpflichtung paraphiert, das Parlament mit dem Inhalt des Abkommens bekannt zu machen. Nur unser Parlament kann ein solches Abkommen unterzeichnen“, heißt es in einer am Mittwoch in Belgrad veröffentlichten Erklärung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen