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Wieder Ärger um „Bremen bei Nacht“

■ Grunert will jetzt auch Halle IV, dafür die Leute nachts zur Hollerallee verabschieden

Bremen bei Nacht - bald ausgeträumt?Foto: Tristan Vankann

Für den Bremer Gastronom Achim Grunert ist es ein „Friedensangebot“, für den Vorsitzenden des Bremer Verbandes der Schausteller, Karl-Heinz Fehrensen, „ist jetzt erstmal zappenduster“. Grunert will von diesem Jahr an auch die Halle IV der Stadthalle für seine Veranstaltung „Bremen bei Nacht nutzen“. Seit drei Jahren findet parallel zum Freimarkt diese gastronomische Großveran

hierhin bitte

"Notausgang"

staltung unter Grunerts Regie statt. Seitdem liegt er im Clinch mit den Schaustellern des Freimarktes.

Auslöser für den aktuellen Krach sind Lärmmessungen des Stadtamtes, die während des letzten Freimarktes nach Freimarktsschluß (23.00 Uhr) um die Halle V herum durchgeführt worden sind. Mit den genauen Ergebnissen hält man sich im Stadtamt zurück, doch

lägen die Werte „deutlich über dem zulässigen Bereich während der Nachtruhe“, erklärte der Leiter des Stadtamtes, Hans-Jörg Wilkens. Wenn die Schausteller zur Nachtruhe in ihre Wohnwagen klettern, tobt in der Halle noch lange der Bär. Zur Freimarktzeit genießen die Schausteller auf der Bürgerweide aber Anliegerrechte, zu denen auch die Nachtruhe zählt.

Deshalb hatten sich die Schausteller, die „in der Einflugschneise“ zur Stadthalle V ihre Wohnwagen stehen haben, immer wieder beim Stadtamt über den Lärm spätkommender und —gehender Stadthallengäste beschwert. So kamen die Messungen zustande. Mit den Ergebnissen ist das Stadtamt dann erst einmal zu Grunert gegangen, der jetzt von sich aus aktiv geworden ist. Auf der letzten Sitzung des Marktausschusses am Montag vergangener Woche schlug der Gastronom vor: Er werde seine Gäste ab 23.00 Uhr nicht mehr durch den Stadthalleneingang Bürgerweide heraus-und hereinlassen, sondern durch den Hinterausgang bitten. Dafür allerdings benötige er aber künftig auch die Halle IV. „Ich muß die Halle mitnehmen, ich kann doch die Leute nicht durch eine leere Halle nach draußen jagen“, erklärte Grunert.

Die Schausteller sollen jetzt bis zur nächsten Sitzung des Marktausschusses eine Stellungnahme zu Grunerts Vorschlag abgeben. „Eine Ausdehnung auf Halle IV ist mit uns nicht zu machen“, erklärte Fehrensen aber bereits jetzt gegenüber der taz. Die Schausteller sind ergrimmt. Grunert profitiere nicht nur von ihrer Veranstaltung, sondern schädige sie auch: „Die Leute kommen immer später auf den Freimarkt, weil sie bereits jetzt die langen Öffnungszeiten der Stadthalle mit einkalkulieren“, sagt Günter Uhse vom Vorstand des Schaustellerverbandes. Die Folgen liegen auf der Hand: Von den drei Millionen Besuchern des Freimarktes lassen immer mehr Leute ihr Geld bei Grunert, der bis drei Uhr nachts geöffnet hat, am Wochenende sogar bis vier Uhr. Der Vorschlag der Schausteller: „Wir haben nichts gegen die Veranstaltung Bremen bei Nacht, wenn sie spätestens um ein Uhr nachts schließen würde“, sagt Fehrensen.

Die Idee einer Nutzung der Stadthalle zur Freimarktzeit ist uralt. Stadthallen-Chef Heinz Seesing hatte die Vermietung früher einmal dem Betreiber des Bayern- Zeltes auf dem Freimarkt angeboten, dem Norweger Skefstadt. Das aber hatten die Schausteller nicht gewollt: „Ein echter Freimarkt ist unter freiem Himmel“, sagt heute noch Karl-Heinz Fehrensen, wenn er auf diese Offerte angesprochen wird.

Daß in der Halle zur Freimaktszeit das große Geld zu machen sei, haben alle geahnt: Der Bremer Großmogul KPS war scharf auf die Halle, Grunert schließlich hat sie bekommen. Für 100.000 Mark, munkelt man, und das Geschäft blüht: Grunert vergibt nicht nur die Stände, sondern ist auch Generalgastronom für alle Standinhaber. An jedem Schluck Mineralwasser ist er beteilgt. Und über mangelnden Umsatz muß er nicht klagen: Mittlerweile hat das Ordnungspersonal Order, bei Überfüllung die Hallentüren für neues Publikum zu schließen.

Mit der neuen Halle gewinnt Grunert, wenn es denn so kommen sollte, fast das doppelte an Fläche. Die Halle V fast 5.600 Leute, hat allerdings als Ausstellungshalle auch keine Zuschauerränge, die Halle IV kann unbestuhlt etwa 3.250 Zuschauer aufnehmen, Standplätze abgezogen, versteht sich.

Wie das Rennen Grunert gegen die Schausteller ausgehen wird, ist derzeit völlig unklar. Von den Meßungen zeigt sich der Gastronom unbeeindruckt: „Ich weiß nicht, was ich rechtlich davon halten soll“, erklärte er auf Anfrage, und versichert: „An der Veranstaltung wird sich nichts ändern.“ Aber: Grunerts Vertrag mit der Stadthalle läuft nur noch bis 1994 einschließlich, also noch für zwei weitere Veranstaltungen.

Die Schausteller verweisen mit Schrecken auf Oldenburg. Dort sei der einst gerühmte Kramermarkt durch eine Parallelveranstaltung in der Weser-Ems-Halle „kaputtgemacht“ worden: Fehrensen: „Die Stadt muß sich entscheiden, was sie will. Wir sind ein Aushängeschild für Bremen und werben für die Stadt. Wir erwarten, daß man Prioritäten setzt.“ Markus Daschner

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