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Nippons neue High-Tech-Milliarden

■ 186-Milliarden-Mark-Programm der Regierung verspricht Aufschwung für die Computerindustrie

Tokio (taz) – Krise hin, Rezession her, Japan ist das reichste Land der Welt. 186 Milliarden Mark Extraausgaben für Computer, Brücken und Parkanlagen – keine zweite Nation auf Erden kann sich das leisten. Und nie zuvor in der Völkergeschichte lockten Beamte mit mehr Geld, um eine Volkswirtschaft ihrem Tief zu entreißen. Wie sähe Rußlands Zukunft aus, würden die Japaner ihr Geld in Rubel investieren? Ganz Afrika könnte damit seine schlimmsten Wunden heilen. Doch das ist in dem Konjunkturprogramm, das die japanische Regierung gestern in Tokio verabschiedete, nicht vorgesehen.

„Neue soziale Infrastruktur“ heißt die Zauberformel des legendären japanischen Industrie- und Außenhandelsministeriums (MITI), welche den Yen-Milliarden ihren Sinn und Nippons kränkelnden Großkonzernen eine neue Ausrichtung geben soll. Nicht wie bisher in Beton, auf Straßen und Felder will das MITI die Konjunkturgelder gießen. Stattdessen sollen für mindestens 40 Milliarden Mark innerhalb von zwei Jahren neue Computer und Telekommunikationsanlagen im ganzen Land aufgestellt werden. Ein Netzwerk bestausgerüsteter Supercomputer in allen Universitäten und Forschungsinstituten soll damit entstehen, an das sich später jeder Schule ankoppeln kann, um Informationen, den Rohstoff der Zukunft, jederzeit in jeglicher Form verwerten zu können. Erst in letzter Instanz sollen dann auch die Büros der Tokioter Ministerien, berühmt für ihre technische Rückständigkeit, neu ausgerüstet werden.

Die Tokioter Börse wertete den Regierungsplan bereits gestern als Erfolg. Der Nikkei-Aktienindex stieg um 858,15 Punkte auf einen Tagesendstand von 20740,29 Punkten. Zum ersten Mal seit elf Monaten schloß die Börse über der psychologisch wichtigen 20.000-Punkte-Marke ab: die Investoren erhoffen neue Gewinnchancen für Japans leidene High-Tech- Branchen. Fujitsu, Nippons führender Computerkonzern, erwartet für das gerade abgelaufene Finanzjahr erstmals eine Verlustbilanz. Verwirklicht die Regierung ihre Pläne, ist das im nächsten Jahr ausgeschlossen.

Das neue Konjunkturprogramm gibt Auskunft über eine wesentliche Machtverschiebung innerhalb der japanischen Regierung. Noch im vergangenen Jahr flossen nahezu sämtliche Konjunkturgelder in die Baubranche, die dem damaligen Fraktionchef der regierenden Liberaldemokraten, Shin Kanemaru, eng verbunden war. Nach Kanemarus Sturz über Steuerskandale gewinnen nun andere Ministerien, allen voran das MITI, wieder die Oberhand. Damit ist auch den Amerikanern gedient: Viele US-Unternehmen aus der Computerbranche versprechen sich hohe Auftragsanteile am Konjunkturprogramm. Das ist politisch auch in Tokio so gewollt. Schließlich reist Premierminister Kiichi Miyazawa in dieser Woche zu seinem Antrittbesuch bei Präsident Clinton nach Washington. Die Wachstumsmilliarden, die angeblich allen zugute kommen, sind sein wertvollstes Mitbringsel.

Vor allem aber will Kiichi Miyazawa mit dem Geld sich selber nützen. Viele Beobachter zweifeln an der Notwenigkeit der Maßnahmen, da Japan eine echte Rezession, das heißt sechs Monate Minuswachstum, bisher erfolgreich vermeiden konnte. Falls die Wirtschaft jetzt von sich aus anzieht, könnte sogar eine erneute Spekulationswelle ausgelöst werden. Aber Miyazawa und seine Partei sind unpopulär wie kaum je zuvor. Und spätestens im Februar 1994 finden die entscheidenen Parlamentswahlen statt. Georg Blume

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