■ Press-Schlag: Mann für alle Fälle
Der Mann ist wirklich für alles zu haben. Für Apfelwein- Werbung und für Bayer Leverkusen, für blöde Sprüche und jetzt auch noch für den 1.FC Köln. Der erstaunliche Aufstieg von Dragoslav Stepanovic vom Kneipier zum Liebling der Liga erreichte nach dem Osterwochenende einen neuen dramaturgischen Höhepunkt. Die im Abstiegskampf völlig unerfahrenen und entsprechend panischen Verantwortlichen beim 1.FC Köln, der sich noch nie in solchen Tabellenniederungen herumgetrieben hat, erkannten wohl, daß der Disziplin-Fanatiker Wolfgang Jerat nicht in der Lage ist, die geschundenen Seelen empfindsamer kölscher Kicker aufzurichten.
Da erinnerte man sich an goldenere Zeiten, die eng mit dem Namen Christoph Daum verbunden sind. Der hatte 1990 eine eher mittelmäßige Kölner Mannschaft vornehmlich mit seiner dicken Lippe zum Vizemeister befördert und wirkt seitdem bekanntermaßen im Schwabenlande. Dortselbst steht es um den mittlerweile zum Meistertrainer Avancierten nicht mehr zum besten, also strapazierte Kölns Manager Karl-Heinz Thielen die Vereinskasse und leistete sich ein Ferngespräch nach Stuttgart. Und handelte sich dort eine Abfuhr von Präsident Mayer-Vorfelder ein, der nicht willens war, den bis 1995 laufenden Vertrag zu lösen.
Also weiter telefoniert. Um Dragoslav Stepanovic – ob nun noch in Frankfurt oder schon in Leverkusen befindlich – zu erreichen war ja fast nur ein Ortsgespräch nötig und „Stepi“, dem schon im letzten Jahr vom Frankfurter Präsidium verboten worden war, in seinem Urlaub nach Abschluß der Bundesliga den TSV 1860 München vor dem Abstieg aus der 2. Liga zu retten, war auch gleich Feuer und Flamme: „Ich würde sofort kommen. Der 1.FC Köln ist noch zu retten. Und ich traue mir das auch zu. Ich habe nichts zu verlieren, ich kann nur gewinnen.“ Aber jetzt wurde es für Thielen erst richtig teuer, denn Bayer- Manager Calmund, immerhin Arbeitgeber des Hansdampfs, wollte auch noch befragt werden und befand sich auf Cran Canaria. Thielen war nicht zu halten und Calmund sagte ja. Und einen Tag später Nein, weil Leverkusens Fußball-Chef Vossen, zur Zeit übrigens gerade in Italien, ihn wohl daran erinnerte, daß am 8. Mai Leverkusen gegen Köln auf dem Spielplan steht. Und was wäre das für ein Kick, wenn die Kölner ihren Kummer danach in gespritztem Apfelwein statt Kölsch ertränken müßten.
Thielen will zwar am Ball bleiben, aber vielleicht hofft er auch noch auf Rettung aus südlicher Richtung. Dort läßt Manager Dieter Hoeneß nämlich schon seit längerem verlauten, daß man sich was überlegen müsse, wenn ein UEFA-Cup-Platz für den VfB auch rechnerisch nicht mehr möglich wäre. Am Samstag kann Thielen noch mal nachrechnen – die Tabelle und seine Telekomrechnung. Thomas Winkler
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