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Stresemannstraße - Hoechst gefährlich

■ Giftgaswolke schwebt nach Unfall über der Stresemannstraße / Gestern noch Theater, morgen vielleicht bittere Realität

/ Gestern noch Theater, morgen vielleicht bittere Realität

Inferno auf der Stresemannstraße: Mitten in der „Rush-hour“ verunglückt ein Kleinlaster. Giftfässer fallen auf die Straße und explodieren. Eine giftige Rauchwolke steigt auf, breitet sich in der engen Straße aus. Spielende Kinder und zahlreiche Passanten fallen um, ersticken in Sekundenschnelle an dem ätzenden Gift.

Der Qualm steigt die Häuserwände hinauf. Die Wolke kriecht durch die Fenster in diverse Wohnungen, auch hier sterben die Menschen nach wenigen Augenblicken. Einige Autofahrer geben aus Panik vor der Giftgaswolke Vollgas, verursachen weitere Unfälle. Menschen werden in den Blechkarossen eingequetscht, bevor auch sie vom Gift dahingerafft werden. Als die Feuerwehr eintrifft, bietet sich den Rettern ein Bild des Grauens. Leichen pflastern die Straße ...

Was gestern abend nur ein makabres Schauspiel war, könnte nach Auffassung der Anwohner-Initiative schon heute bittere Realität werden. Denn die Stresemannstraße wird — trotz Tempo-30-Zone — von immer mehr Lkws als Transitstrecke genutzt. Von den täglich 8000 Brummis sind 800 Lkws Gefahrenguttransporter. Im Klartext: Sie haben hochexplosive oder giftige Chemikalien geladen.

Die Anwohnerini schlägt deshalb erneut Alarm. Kurt Schröter: „Es muß gehandelt werden, bevor etwas passiert.“ Der Aktivist verweist auf den Giftgasunfall bei Hoechst vor einigen Wochen in Frankfurt, bei dem 1,5 Tonnen Methanol ausgetreten sind. Schröter: „Wir fragen uns, was passiert, wenn ein Gefahrenguttransporter mit 38 Tonnen dieser Chemikalie außer Kontrolle gerät? Mitten in der Stadt, in direktem Kontakt zu Tausenden von Menschen.“

Die Anwohnerini kritisiert daher die Verantwortlichen. Während die chemische Industrie strengen Sicherheitsauflagen unterliegt, gelten die relativ strengen Vorschriften des Chemikaliengesetzes und der Störfallverordnung nicht für die Transporte. Schröter: „Was im Werk erst nach aufwendigen Sicherheitsanalysen verarbeitet werden darf, holpert nach den erheblich schwächeren Bestimmungen der Gefahrengutverordnung über unsere Straßen.“

Auch der Umweltsenator Fritz Vahrenholt schließt eine solche Katastrophe nicht aus, beschreibt in seinem Buch „Seveso ist überall — die tödliche Gefahr der Chemie“ den Unfall eines 30 000 Liter Phosgen-Lasters so: „Innerhalb der ersten zehn Sekunden nach dem Unfall würde jedes Lebewesen im Umkreis von 100 Metern augenblicklich getötet.“ Innerhalb einer halben Stunde wäre ein Areal von 1,7 Quadratkilometern verseucht. Auf die Stresemannstraße hochgerech-

1net würden bei einem Chemie-Unfall mindestens 2100 Menschen sterben.

Auch an der Habichtstraße machten gestern Anwohner gegen den Autowahn mobil. Hier war vor

1vier Monaten der kleine Michael getötet worden, als er bei Grün den Zebrastreifen überqueren wollte und von einem abbiegenden Lkw überrollt worden war. Kai von Appen

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