: Asyl per Charterflug beantragt
In Berlin landete gestern ein Flugzeug voller Asylbewerber aus Indien und Pakistan / Die Maschine wurde offenbar von Schleppern gechartert / 5.000 Dollar für die Einreise verlangt ■ Aus Berlin Klaus Hillenbrand
Mit dem Fallschirm abspringen oder per Flugzeug einreisen, das dürfte demnächst die letzte Möglichkeit für Flüchtlinge sein, wenn sie in der Bundesrepublik um Asyl bitten wollen. Das neue Asylrecht ist zwar noch nicht in Kraft, doch schon wird vorexerziert, wie größere Flüchtlingsgruppen nach Deutschland kommen können. Gestern nacht um 1.30 Uhr landete auf dem Berliner Flughafen Schönefeld eine gecharterte Maschine der Air Ukraina aus Odessa.
An Bord waren keine normalen Passagiere, sondern ausschließlich Flüchtlinge. 43 Inder und sechs Pakistani stürmten sofort nach der Landung aus dem Flugzeug auf die Rollbahn und beantragten Asyl. Sie wurden bereits in die Zentrale Asylaufnahmestelle in Eisenhüttenstadt verbracht.
Der Bundesgrenzschutz (BGS) am Flughafen zeigte sich gestern einigermaßen ratlos. Offensichtlich ist das Flugzeug von noch unbekannten Schleppern in der Ukraine gechartert worden. Der Name einer Reiseagentur sei bekannt, so der Leiter des Bundesgrenzschutz- Kommandos, Ralf Piestor. Der Pilot der Maschine, die am Morgen wieder in die Ukraine zurückflog, konnte sich nicht näher zu den Auftraggebern des Fluges äußern. Zur Frage, ob sich möglicherweise einer oder mehrere der Schlepper an Bord befunden haben, mochte sich der BGS zunächst nicht äußern.
Durch Befragungen sei klar geworden, daß sich die Asylsuchenden zuvor zum Teil monatelang in verschiedenen Städten der ehemaligen Sowjetunion aufgehalten hätten, sagte Piestor.
Wie sie dort hingelangt seien, sei unklar. Alle Reisenden hätten Ausweise bei sich gehabt, wobei entweder die Pässe oder aber die darin befindlichen Aufenthaltsgenehmigungen für die Bundesrepublik gefälscht seien. Für die Einreise hätten sie pro Person 5.000 Dollar aufbringen müssen, sagten mehrere der Asylbewerber. Offenbar waren sie auf die Ankunft gut vorbereitet worden. Davon zeugt auch, daß sie sofort auf das Rollfeld und damit auf deutschen Boden stürmten.
Schon am Mittwoch vergangener Woche waren nach dem gleichen Muster 123 Menschen auf dem Frankfurter Flughafen Rhein- Main angekommen. Die Passagiere einer gecharterten Aeroflot- Maschine kamen aus Indien, Sri Lanka und Pakistan. Auch sie waren sofort nach der Landung aufs Flugfeld gestürmt und hatten um Asyl gebeten. Die meisten von ihnen besaßen ebenfalls keine Papiere.
Bonn reagierte prompt: Bundesinnenminister Seiters (CDU) forderte gestern angesichts des jüngsten Schlepperfalls eine „Flughafenregelung“ im neuen Asylrecht.
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