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Bärchen rennen für Olympia

■ 150 Läufer zeigten gestern in den frühen Morgenstunden Unter den Linden ihre olympische Begeisterung / "Bewegung" soll bis September die ganze Stadt erfassen

Berlin. Bernhard Pietsch konnte sich kaum zurückhalten: Mit selbstgemaltem Pro-Olympia- T-Shirt, neongelb-grüner Brille und mit dem Anorak um den Bauch geknotet, hüpfte er gestern morgen aufgeregt vor der Humboldt-Uni herum und wärmte sich auf.

Schließlich galt es, am „Bärchenlauf“ teilzunehmen, als Zeichen der Unterstützung einmal zum Brandenburger Tor und zurück zu traben.

Ganz oben hatte sich der 46jährige Platzwart auf der Startliste eingetragen, daß niemand seine Olympia-Begeisterung übersehe.

„Wir starten hier eine Bewegung, von der die Stadt bis September erfaßt sein soll“, erklärte Rudi Thiel, 1. Sprecher der Aktion „Pro Olympia“, in der sich 32 Sportvereine zur Unterstützung zusammengeschlossen haben.

Nur zu diesem symbolischen Zweck finde der Bärchenlauf statt, bestätigte Bernhard Eckstein, Trainer beim Olympischen Sportclub.

Den 10-Kilometer-Stadtlauf habe man dazu nicht nutzen können, da es „schließlich auch innerhalb der Vereine Gegner“ der Berliner Olympia-Bewerbung gebe.

Seine Entschlossenheit für den Wettstreit der hochgezüchteten Spitzensportler demonstrierte der 20jährige André Nowak, der die drei Kilometer mit Berlin-Fähnchen in der Faust rannte.

Ihm gehe es „nicht um irgendeine Plazierung“, wiegelte er frei von wettkämpferischem Ehrgeiz ab. Er wolle nur dabeigewesen sein.

Das wollte auch die nicht mehr ganz junge Frau, die ständig bemüht war, ihre gelben Socken mit Bären-Emblem über die orange Hose zu rollen: „Wie schnell ich bin, ist egal. Hauptsache, ich komme an.“

Anders als bei dem erhofften Höchstleistungs-Spektakel ging es auch dem 19jährigen Jérôme Grimm nicht um einen Erfolg beim Bärchenlauf.

Der Bundeswehrsoldat wollte zeigen, daß „die Gegner eine kleine Minderheit sind, durch den Lauf will ich Farbe bekennen“. Das taten außer ihm knapp 150 weitere Läufer; rund 50 Zuschauer komplettierten die eher familiäre Pro-Olympia-Demo. Alle Utensilien, die ein Befürworter so braucht, wurden neben dem Organisationsbus verkauft: Bärchen- Krawatten und Badetücher, gelbe Kleidungsstücke aller Art oder ein bebärtes Tischtennis-Set.

Nach dem Start um halb zehn verteilten sich die Läufer zu unauffälligen Grüppchen Unter den Linden. Und die Schnellsten bewiesen am Ende mehr olympischen Geist, als dieser im Jahr 2000 in Berlin zu erwarten wäre: Sie liefen zu sechst Hand in Hand über die Ziellinie und distanzierten sich so vom Leistungssport. Dabeisein ist eben alles – außer bei Olympia. Christian Arns

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