: Strenge Kleiderordnung auf dem Ku'damm
■ Massive Polizeikontrollen in der Innenstadt verhinderten am Sonntag abend ein „Trommelfeuer“ der Olympia-Gegner vor dem Hotel Kempinski / Fünf Festnahmen
Am Sonntag abend präsentierte sich der Kurfürstendamm in Grün- Weiß. Hunderte von Mannschaftswagen der Polizei parkten in fast ununterbrochener Reihe vom Breitscheidt- bis zum Olivaer Platz im Halteverbot. Sämtliche Quer- und Seitenstraßen wurden in diesem Bereich bis kurz vor Mitternacht für den Verkehr gesperrt, Cafés und Kinos blieben so gut wie leer.
Grund der Umsatzeinbußen: Die Olympia-Gegner hatten auf der vorangegangenen Demonstration angekündigt, um neun Uhr die im Hotel Kempinski vermutete IOC-Prüfungskommission mit einem „Trommelfeuer“ zu begrüßen. Dazu kam es nicht, nicht einmal Trillerpfeifen waren im Umkreis des Hotels zu hören. Denn sowohl das Flanieren als auch die Kundgebung wurden durch eine neue Polizeitaktik verhindert.
Die Devise hieß Ruhe durch übermächtige Präsenz. „Es kommt darauf an“, sagte ein Einsatzleiter, „zu zeigen, daß wir mehr sind.“ Schon einen halben Kilometer vor dem Hotel prüften Dutzende an wechselnden Orten stationierte Polizeitruppen das Outfit der Passanten. An den äußeren Kordons scheiterten die Kapuzenträger, von Linie zu Linie wurden die Anforderungen erhöht. Als eine von der Polizei in der Nähe des Savignyplatzes blockierte Schülergruppe sich beschwerte, erhielten sie den Rat: „Ziehen Sie sich eben was anderes an.“
Auf diese Weise gelangten nur Aktenkofferträger und Journalisten in den inneren Ring rund um Kempinski – und auf ungeklärte Weise etwa 300 Demonstranten in die Nähe des Cafés Kranzler. Als einige von ihnen Trillerpfeifen aus den Hosentaschen zurrten, stürzten sich Greiftrupps auf sie und schubsten sie in die bereitstehenden Mannschaftswagen. Eine junge Frau wurde festgenommen; ihr Pech, sie stand neben einem trommeltragenden Jugendlichen. Eine halbe Einheit zertrampelte später das Musikinstrument. Die Polizei meldete später, daß es ihr gelungen sei, fünf gewaltbereite Demonstranten vorübergehend festzunehmen.
Ein Polizist wurde von seinen Kollegen verletzt: Ein Mannschaftswagen hatte ihn beim Rückwärtsfahren auf dem Fußgängerstreifen vor dem Studio Rosenthal gestreift. Andere Polizisten hatten mehr Spaß, besonders die Motorradstaffel in der Fasanenstraße. Mit Karacho und steil hochgezogenen Vorderrädern bretterten sie über die Betonmittelstreifen und walzten rücksichtslos alle Blümchen platt. Von dem ganzen Theater erlebten die IOC-Oberen nichts, sie speisten im Cecilienhof in Potsdam. Spät in der Nacht splitterten dann noch – weitab vom Ku'damm – am Prenzlauer Berg Scheiben einer Bank und in Kreuzberg die Schaufenster einer Hertie- Filiale. Ein Sprecher des von Autonomen dominierten Anti-Olympia-Komitees kündigte gestern an, daß die abendlichen „Trommelfeuer“ bis zur Abreise der IOC- Kommission fortgesetzt werden. Anita Kugler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen