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„Militärschutz ist nicht notwendig“

■ Deutsche Entwicklungshelfer arbeiten bereits im Nordosten Somalias – ohne militärischen Begleitschutz

Der Nordosten Somalias, die Gegend um die Stadt Bosasso, wo der Einsatz von Bundeswehreinheiten erwogen wird, ist die friedlichste Region des Landes. Während der Süden, wo der seit Ende der 80er Jahre wütende Bürgerkrieg im Dezember 1992 zur Stationierung einer internationalen Eingreiftruppe führte, noch immer nicht befriedet ist und der Norden, der sich 1991 als „Republik Somaliland“ unabhängig erklärte, einer ausländischen Truppenstationierung eher feindlich gegenübersteht, hat es in der Nordostregion in den letzten Jahren weder in größerem Maße Krieg gegeben, noch ist sie von fremden Truppen besetzt worden. Hier herrscht seit 1991 die „Somalische Demokratische Rettungsfront“ (SSDF), die vom lokalen Majerteen-Klan getragen wird. Die Majerteen stellten in den 60er Jahren die Regierung Somalias, haben sich aber aus den jüngsten Clankämpfen im Süden des Landes herausgehalten.

Deutsche Entwicklungshelfer sind im Nordosten bereits tätig – ohne militärischen Begleitschutz. Die Deutsche Welthungerhilfe organisiert nahe der Stadt Bosasso zusammen mit der „Somali Development and Relief Agency“ die Versorgung von Kriegsflüchtlingen aus dem Süden und baut in ländlichen Regionen die Infrastruktur aus. In Bosasso sind etwa 50 Mitarbeiter des Technischen Hilfswerkes, das dem Auswärtigen Amt untersteht, in der Wasserversorgung und anderen Entwicklungsprojekten tätig. „Militärschutz“, erklärt Friedhelm Simon von der Welthungerhilfe, „ist nicht notwendig.“

Der größte Feind dürfte die Hitze werden

In den nächsten Monaten will auch das deutsche Entwicklungshilfeministerium (BMZ) Experten nach Mogadischu, Nord- und Nordostsomalia schicken. Den Bundeswehreinsatz, so ein BMZ-Mitarbeiter, will man dafür nicht abwarten. Eine Entsendung werde dann erfolgen, „wenn die Situation so ist, daß wir ruhigen Gewissens deutsche Experten hinschicken können.“ Und um Bosasso sei das allem Anschein nach jetzt schon der Fall.

Die UNO will ab Mai Blauhelme in ganz Somalia stationieren – auch im Nordosten. Werden die dortigen Machthaber dies akzeptieren? Die SSDF hat in den vergangenen Monaten eine mögliche Truppenentsendung begrüßt – sie sieht sich der Opposition bewaffneter Islamisten gegenüber, die im Februar die Stadt Ras Koreh, östlich von Bosasso, vorübergehend besetzten. Sie werde sich jedoch, so Simon von der Welthungerhilfe, „nicht die Butter vom Brot nehmen lassen“. Das heißt: Wie im Süden werden auch hier die somalischen Machthaber den Ausländern um so freundlicher gegenübertreten, je mehr sie von ihnen profitieren. Ein von Schweden geleitetes UNO-Büro ist bereits in Bosasso ansässig.

Ob die somalische Bevölkerung Bundeswehreinheiten akzeptiert, hängt nach Simons Einschätzung wesentlich davon ab, was diese machen. „Man könnte Pioniere einsetzen, Brunnen und Straßen bauen, Minen räumen“, meint er. „Wenn die Bundeswehr bereit ist, mit Planierraupen hinzukommen, wäre das nicht verkehrt. Aber nur rumsitzen geht nicht.“ Am wahrscheinlichsten ist nach bisherigen Planungen, daß die deutschen Soldaten nicht als Entwicklungshelfer arbeiten werden, sondern über das friedliche Bosasso den Nachschub für Blauhelmeinheiten in anderen, unfriedlichen Regionen Somalias organisieren. Ihr größter Feind wird dabei kein hypothetischer somalischer Bandit sein, sondern das Wetter: Im Juni und Juli erreichen die Temperaturen leicht 50 Grad im Schatten. Dominic Johnson

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