: Tariferhöhung „verrechnen“
■ Bosch-Tochter Telenorma: Belegschaft protestiert gegen Sozialabbau
„Hier geht es um eine andere Bundesrepublik — Ihr sollt nicht denken, sondern malochen und das für weniger Geld“, erklärt Reinhard Antesberger. Als Betriebsratsvorsitzender der Telenorma in Bremen (mit 150 Beschäftigten) hat er genau verfolgt, welche Informations- und Lohnpolitik die Geschäftsführung der Telenorma, einer 100prozentigen Bosch-Tochter, in den vergangenen Wochen betrieb. Er hatte deshalb gestern zu einer „Betriebsratssprechstunde“ auf den Hof des Firmen-Geländes eingeladen. Die Belegschaft protestierte damit öffentlich gegen den Sozialabbau in ihrem Betrieb.
Denn auf Weisung der Bosch- Konzernzentrale soll plötzlich an den außertariflichen Leistungen gespart werden, mit denen sich das Unternehmen bisher rühmte. Fünf entsprechende Betriebsvereinbarungen wurden bereits gekündigt. „Für manche Kollegen macht das 500 bis 600 Mark im Monat aus“, weiß Antesberger. Genau wird sich dies aber erst mit der Lohnabrechnung am Ende des Monats zeigen.
Von Streichungen betroffen sind beispielsweise: Übertarifliche Zulagen. Sie werden dadurch geschmälert, daß sie gegen die 1992 beschlossene Tariferhöhung von drei Prozent aufgerechnet werden. Auch die ertragsabhängige Arbeits- und Erfolgsprämie ist bereits gekürzt: Fünf Prozent dieser Sonderzahlung wurden kurzerhand nicht ausgezahlt, weil sie „laut Tarifvertrag anrechenbar“ sei. 20 KollegInnen haben dagegen schon Klage eingereicht.
„Im Osten werden Tarifverträge gekündigt, im Westen sind es die Betriebsvereinbarungen und übertariflichen Zulagen“, bestätigt Dieter Reinken, Gewerkschaftssekretär der IG-Metall in Bremen, daß etliche kleine und mittlere Betriebe zur Zeit eine ähnliche Strategie verfolgen. Er nennt Aqua-Signal, die Spinnbau in Bremen-Farge und die BWM (Bremer Werkzeug- und Maschinenbau) als Beispiele. Die Unternehmer wollen damit dem „Anspruchsdenken der Arbeitnehmer“ begegnen und das soziale Gefälle zum Osten Deutschlands (zum Schrumpfen der Löhne) „ausnutzen“, so der IG-Metallvertreter. „Mit Lohnverzicht wurde noch kein einziger Arbeitsplatz geschaffen“, betonte Reinken.
Auslöser für den Sozialabbau ist nach Auffassung von Betriebsrat und Gewerkschaft nicht die wirtschaftliche Lage des Konzerns. Antesberger: „Im Wirtschaftsausschuß war von 2 % Umsatz-Rückgang die Rede“ (Bosch- Umsatz 1992: 34,6 Mrd.). Auslöser sei vielmehr ein Rundbrief der Südwestmetall (dem Verband der Metall-und Elektroindustrie), worin die Geschäftsleitungen zu genau den geschilderten Maßnahmen aufgefordert werden: Anrechnung der Tariferhöhung, Widerruf übertraiflicher Zulagen zum ausgleich der Arbeitszeitverkürzung, Beschränkung auf tarifliches Weihnachtsgeld usw. ra
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