: Alte Säcke sind "in"
■ MIP-TV: Eine Fernsehmesse wird zum Antiquitätenmarkt
Cannes/Hamburg (dpa) – In Cannes stellen derzeit Fernsehsender und TV-Produzenten aus aller Welt die Weichen für die Zukunft. Rund 9.000 Ein- und Verkäufer aus mehr als 100 Ländern bestimmen bei der bedeutendsten Fernsehmesse „MIP TV“ die Trends der kommenden Jahre. Die Einschätzung der Experten: Historienfilme- und serien sind ebenso wie Melodramen und „Öko- Filme“ stark im Kommen, Reality- TV-Produktionen sind zumindest in Deutschland kaum noch gefragt. Marktführer aus deutscher Sicht ist die zur Kirch-Gruppe gehörende Beta-Film, die den Film- und Serienhandel in Europa in Zusammenarbeit mit der italienischen Berlusconi-Gruppe fast im Alleingang bestimmt. Beta-Film bietet europäisch-amerikanische Koproduktionen wie „Die Abenteuer des jungen Indiana Jones“, „Baywatch“ und „Der Bergdoktor“ an. Erstmals wurde auch die jüngst mit einem Grimme-Preis dekorierte Sat.1-Krimiserie „Wolffs Revier“ auf dem internationalen Parkett verkauft.
Während der amerikanische TV-Markt das Historiendrama mit Titeln wie „Hannibal“, „Charlton Heston präsentiert die Bibel“ oder „Inside The Vatican with Peter Ustinov“ entdeckt hat, ist das erfolgreichste deutsche Exportgut immer noch der Krimi. Unter den 20 bestverkauften deutschen TV- Produkten überhaupt befinden sich „Derrick“ (Horst Tappert ermittelt schon in 101 Ländern) auf Platz eins, „Der Alte“ auf Platz drei, „Tatort“ auf Rang fünf, gefolgt von „Peter Strohm“, „SOKO 5113“ und „Die Männer vom K3“.
Andere TV-Ideen made in Germany finden im Ausland nicht gerade einen reißenden Absatz. So probiert die Vermarktungsfirma des NDR, Stänker „Motzki“ an den Mann zu bringen. Immerhin hat das dänische Fernsehen die ganze Serie und Israel eine Folge eingekauft. Selbst das japanische Fernsehen NHK hat Interesse bekundet, obgleich aus dem Land der aufgehenden Sonne harte Kritik laut wurde, nachdem „Motzki“ die Japaner als „gelbe Halbaffen“ bezeichnet hatte. Als Ladenhüter entpuppen sich Fernsehspiele, die zu speziell auf deutsche Themen ausgerichtet sind.
Bemerkenswert auch, was auf dem internationalen Markt feilgeboten wird: Die Bavaria lockt immer noch mit der Uraltreihe „Salto mortale“ mit Gustav Knuth, der NDR führt noch den 20 Jahre alten „Stechlin“-Dreiteiler in seinem Bauchladen. Größeres Interesse erregte „Das letzte U-Boot“, für das Nachfragen aus Schweden und Holland und sogar aus den Vereinigten Arabischen Emiraten kamen. Fast selbstverständlich ist es, daß das ungarische Fernsehen gern „Die Donauprinzessin“ haben möchte. Carsten Rave
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