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Dringend zu beleuchtende Aspekte-betr.: "Von der Gewalt der Rasse" (Frank Liebert über Herbert Reinecker), taz vom 20.4.93

betr.: „Von der Gewalt der Rasse“ (Frank Liebert über Herbert Reinecker), taz vom 20.4.93

Schön, daß endlich auch die taz ihre LeserInnen über Reineckers Nazi-Vorgeschichte informiert. Schade, daß der Artikel (wofür sein Autor nicht unbedingt etwas kann) genau da aufhört, wo ein medienkritischer Beitrag anfangen müßte.

Kriminalliteratur und -film hat in Deutschland keinerlei demokratische Tradition; darüber täuschen auch die sogenannten „Soziokrimis“ schreibenden AutorInnen nicht hinweg. Was sich hierzulande ästhetisch mit Kriminalität und Aufklärung befaßt, wird verbucht unter „Krimi“, also „trivial“ resp. „Schmutz & Schund“, jedenfalls nicht der öffentlichen Rede wert (Ulrich Greiner: „Krimis liest man weg und schweigt, darüber redet man doch nicht“, ZDF-Literarisches Quartett). Folgerichtig bleiben AutorInnen wie auch die paar RezensentInnen (deren Gros sich gern als „eigentlich gar nicht zuständig“ vorstellt) unbehelligt von jeder Art Qualitätskontrolle oder gar Nachdenken über das eigene Tun.

Für diese undemokratische Tradition stehen Reinecker und die beim ZDF für sein flächendeckendes Emissionsaufkommen Verantwortlichen, bei Reinecker wurzelt sie sogar aufs schönste nachvollziehbar im Nazi-Boden. Die von diesen Herren über Jahrzehnte produzierten „Krimis“ sind schlichte Ideologieproduktion, über die sich nicht nur real-existierende PolizistInnen schlapplachen; sie haben das, was in diesem Land von LaiInnen wie Profis von „Krimi“ und damit von kriminaltechnischer Realität gewünscht und erwartet wird, nachhaltig geprägt und tun das weiter. Derzeit werden die alten „Kommissare“ und „Derrick“ wiederholt – und übrigens auch die alten „Polizeiruf 110“-Folgen des DDR-Fernsehens: wer sich vorführen lassen möchte, was das pp.publicum beider deutscher Hälften über seine jeweiligen stets zu heilenden Welten lernen soll, dem sei dieses allwöchentliche Drei-Spätabende- Programm ans Herz gelegt.

Eine wirklich kritische Zeitung müßte spätestens jetzt anfangen, diese alten Klamotten kritisch, also auch ästhetisch und politisch auseinanderzunehmen. Sie haben uns sozialisiert wie der Nierentisch und Dederon. Sie müßte sich fragen, ob es etwas zu bedeuten hat, wenn auffallend kontinuierlich Claus Legal als Redakteur für Reineckers Serien zeichnet – mir drängt sich die Frage automatisch auf, ob der Mann irgendwie an den Einkünften beteiligt sein könnte. Sie könnte auch mal erforschen, wie ein einzelner Mensch dermaßen viel schreiben können soll – ob ihm dabei andere Leute „helfen“? Wie gesagt, medienkritisch hätte der „Fall Reinecker“ jede Menge dringend zu beleuchtende Aspekte. Falls man Medienkritik, Kulturkritik überhaupt wirklich ernstnehmen möchte – es macht natürlich ein bißchen Arbeit... [...] Pieke Biermann, Berlin

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