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Balladur bleibt in Bonn hart

■ Französischer Premier in Bonn / Streit um Gatt und Zinsen / Kohls Fastenkur verhinderte früheres Treffen

Bonn (taz) – Bei dem Antrittsbesuch des neuen französischen Premierministers Edouard Balladur bei Bundeskanzler Helmut Kohl haben beide Seiten gestern Meinungsverschiedenheiten eingeräumt. Nach einem zweieinhalbstündigen Gespräch im Kanzleramt beschwor Kohl zwar wortreich die deutsch-französische Freundschaft, räumte aber „Nuancen“ bei der Bewertung verschiedener Themen ein.

Uneins blieben Kohl und Balladur insbesondere im Streit um die Gatt-Verhandlungen, in denen Frankreich aus deutscher Sicht eine zu harte Haltung einnimmt. Die französische Seite ist nach wie vor unzufrieden über die hohe deutsche Staatsverschuldung, die die Zinsen in der Bundesrepublik und den Ländern des Europäischen Währungssystems (EWS) auf einem aus französischer Sicht zu hohen Niveau hält.

Im Einklang waren beide Regierungschefs in ihrer Einschätzung des Maastrichter Vertrags. „Wir denken beide, daß er noch in diesem Jahr von allen zwölf EG- Staaten ratifiziert wird“, sagte Kohl. Es sei von vornherein nicht Zweck des gestrigen Gesprächs gewesen, zu klaren Abkommen zu kommen, dämpfte Balladur die Erwartungen. Vielmehr habe man sicherstellen wollen, daß es eine „gemeinsame Sicht der Dinge“ gebe.

Er habe Verständnis für die Schwierigkeiten des vereinigten Deutschlands, seinen Platz in der Welt zu definieren, versicherte der Premierminister. „Im Gegenzug“ erwarte Frankreich deutsches Verständnis für die „vitalen Interessen“ insbesondere der französischen Agrarwirtschaft, über die in den Gatt-Verhandlungen beraten werde. Kohl sagte, es sei normal, daß Balladur die Interessen Frankreichs vertrete, er aber die deutschen Interessen. Beide Seiten müßten die Interessen der jeweils anderen Seite berücksichtigen.

Der Bonn-Besuch war die erste offizielle Auslandsreise des neogaullistischen französischen Regierungschefs. Es sei selbstverständlich, daß Bonn der erste Besuch gelte, sagte Balladur. In Paris hatte es im Vorfeld der Reise allerdings Irritationen gegeben. Der Premierminister wollte ursprünglich bereits am 7. oder 8. April seinen deutschen Amtskollegen besuchen. Kohl wollte dafür jedoch nicht seine Fastenkur in Österreich unterbrechen. Daß der Kanzler andererseits für die Awacs-Kabinettssitzung bereit war, kurzfristig nach Bonn zurückzukehren, führte zu kritischen Kommentaren in der französischen Presse.

Zwischen den beiden Regierungschefs habe es dennoch „überhaupt keine Irritationen“ gegeben, wurde gestern in Kohls Umgebung beteuert. Kohl kenne Premierminister Balladur bereits „relativ gut“ von früheren Begegnungen, etwa von Treffen der „Europäischen Volkspartei“. hmt

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