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Januskopf mit Pferdefuß

■ Buch Hamburg auf der Weiterbildungsmesse / Lückenbüßerdasein ohne Attraktivität

auf der Weiterbildungsmesse

Lückenbüßerdasein ohne Attraktivität

Auf der Leseförderung liegt der heimliche Akzent der dreitägigen Messe Buch Hamburg, die gestern zu Ende ging, und so versammelten sich 70 Verlage auf einem Haufen und warben tapfer für eine Lektüre ihrer Produkte. Nach 23 Jahren Kontaktlosigkeit sollte es eine Begegnung der dritten Art zwischen Herstellern und Verbrauchern werden, aber es blieb alles ein wenig verquaxt und parfümiert.

Denn in königlicher Zuversicht hatte man eine Symbiose aus Buch und Bildung zusammengebraut, die sich als oberlichtempfindlich erwies und schnell schied. So saßen die Verleger wie Bahnwärter in einem Bahnwärterhäuschen vor der exakt vier Bretter umfaßenden Palette ihrer Verlegungen und spielten Schranke, während links und rechts die 3. Info-Börse für Aus- und Weiterbildung stattfand, wo von Alphabetisierung bis Zukunftswerkstatt die Seriösität hanseatischer Bildungseinrichtungen durchbuchstabiert wurde. Von vielen als Zwillingspaar beschworen wurde dem Besucher schnell deutlich, daß diese tabubrechende Parallelität doch zweieiig ist. Und doppelgesichtig, denn wenn auch Lektüre das wichtigste Instrument der Weiterbildung ist, so bleibt doch ungewiß, was gelesen wird: Buch oder Bildschirm.

Das Wetter machte aus diesem Januskopf dann einen Pferdefuß. Der Geist ist ein Schlechtwetterkind und die Sonne verdunstete den erwarteten Besucherstrom in einen Rinnsal, der sichtlich lustlos von der mit Oberlicht versehenen Halle 10 (Weiterbildung) einen Durchlauf zur ebenso hell erleuchteten Halle 12 (Weiterbildung) suchte und dabei buchstäblich das Schattenreich der Halle 11 (Buch Hamburg) durchqueren mußte.

Nein, Basargefühle konnten trotz Verkaufsberechtigung nicht aufkommen in dieser eher steifen, zugeknöpften Atmosphäre und in der für das Rahmenprogramm reservierten Ecke saßen die Dichter und Denker einsam und verlassen, wie das so ihre Art ist, und erinnerten ein wenig an Fliegenpilze, auf die keiner flog. Provozierend waren nur die Preise für Kaffee und

1belegte Brötchen.

Einzig die Leseperformance am Freitag vormittag von Mariola Brillowska hätte für Aufsehen sorgen können, wenn zugeschaut worden wäre. So aber verstießen die etwas pornographischen Attacken von Eryk, dem Sexylanten, und Lola, der Routinierten, nur gegen das Schicklichkeitsgefühl der Moderatorin Annemarie Stoltenberg, die nicht lange fackelte und der fast schon hydraulischen Brunftigkeit dieser zeichnerisch hervorragenden

1Animation ein Ende mit Aufruhr und Gerangel setzte. Peinlicher war da schon, daß eine Kinderbuchautorin bei Rowohlt eine kindsgerechte Lesung hielt, der Verlag das entsprechende Buch aber nicht mit hatte.

Am Sonntag verlieh dann die Senatorin Christina Weiss den mit je 10 000 Mark dotierten und von der Kulturbehörde gestifteten Förderpreis an zwei besonders ambitionierte Hamburger Verlage (Edition Nautilus und Kellner).

1Zusammenfassend gewann man den Eindruck, daß es den Verlegern in diesem Bindestrichdasein zwischen Aus- und Weiterbildung nicht allzu behaglich zumute war. Vieles wirkte unmotiviert und das frischvermählte Paar Buch und Bildung zeigte sich beziehungsmüde und desinteressiert. Lautete eines der Anliegen dieser Messe: „Das Buch als Problemlöser“, so scheint der Gegenvorschlag: „Löst das Problem der Bücher“, entschieden angebrachter zu sein. Daniel Rau

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